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jetzt.de: Zum Beispiel Festung Europa

jetztde Vor ein paar Wochen habe ich hier Vorschläge gemacht, was jeder und jede Einzelne von uns zu einer besseren Welt beitragen kann – und dabei vor allem auf Selbstvertrauen, Information, Solidarität und Zivilcourage Wert gelegt.

Der deutsche Journalist und Menschenrechtsaktivist Elias Bierdel ist einer, der all das seit langem praktiziert. Gemeinsam mit dem Schiffskapitän Stefan Schmidt hat er 37 Schiffbrüchige vor dem Ertrinken gerettet. Die Geretteten waren Menschen, die von Afrika nach Europa fliehen wollten. Und deshalb soll nun gezielt die Existenz ihrer Retter zerstört werden: Beiden drohen vier Jahre unbedingte Haft und eine Geldstrafe von je 400.000 Euro. Kommende Woche findet im sizillianischen Agrigent der entscheidende Prozess statt.

Was ist passiert?

Am 20. Juni 2004 hatten 37 Afrikaner von Libyen aus die Überfahrt nach Italien angetreten und waren in Seenot geraten. Die Flüchtlinge trieben hilflos in einem lecken Schlauchboot, dessen Motor ausgefallen war. Ihnen drohte dasselbe Schicksal wie Tausenden anderen, deren Leichen mittlerweile fast täglich an die Küsten Europas gespült werden. Doch sie hatten Glück: Bierdel und seine Mannschaft nahmen die Schiffbrüchigen an Bord ihres Schiffes „Cap Anamur“ der gleichnamigen Hilfsorganisation, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch zum Entsetzen aller versperrte die italienische Marine der Cap Anamur mit mehr als einem Dutzend Kriegschiffen die Einfahrt in den nächsten geeigneten Hafen. Durch die italienische Öffentlichkeit ging eine Welle der Empörung, und erst nach tagelangem Tauziehen wurde die Anlandung der Cap Anmur genehmigt. Doch Bierdel und seine Offiziere wurden verhaftet und angeklagt: Den Lebensrettern wird ausgerechnet Schlepperei vorgeworfen.


Bild von der Cap Anamur-Aktion vor fünf Jahren. (Foto: elias-bierdel.de)

Das ist kein Einzelfall. Im vergangenen Monat wurden lybische Fischer wegen Hilfeleistung für in Seenot geratene Flüchtlinge zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihre Boote – und damit ihre Lebensgrundlage – wurden konfisziert. Die italienischen Behörden wollen mit allen Mitteln die Ankunft der sogenannten Boat-People verhindern.

Mein Freund Philipp Sonderegger, Sprecher der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch, hat dieser Tage mit Elias Bierdel gesprochen. Er sagt: „Wir sind von der unterlassenen Hilfeleistung mittlerweile bei der aktiven Sterbehilfe angelangt“. Das heißt: Fährt ein Schiff in der Nacht durch italienische Gewässer, erhält es angeblich laufend Anweisungen der Küstenwache, aus Sicherheitsgründen einen Bogen um die seeuntüchtigen Flüchtlingsboote zu schlagen. Offiziell sollen damit Karambolagen verhindert werden. Doch die Botschaft ist inzwischen bei den Seeleuten angekommen: Keine Flüchtlinge aufnehmen!

Mithilfe militärischer Satelliten kann man die in Seenot geratenen Boote mittlerweile gut erkennen – auch bei Nacht. Doch der Wille der europäischen Regierungen, Menschenleben zu retten, hält sich in Grenzen. Italien hat jetzt begonnen, Flüchtlinge zu Hunderten postwendend nach Lybien zurückzuführen – ohne Zugang zu einem Asylverfahren. Das ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht und gegen den EU-Vertrag. Die deutsche Regierung hätte es in der Hand, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlusconis Regierung einzuleiten. Doch Merkel und Co. tun hier genauso viel wie für ihre in Italien angeklagten Staatsbürger Bierdel und Schmidt: Nichts.

Hier der Link zu einer Protestaktion: Postkarte an den italienischen Justizminister Angelino Alfano

PS: Elias Bierdel steht wegen des Prozesses vor dem Nichts. Deshalb hat SOS Mitmensch ein internationales Spendenkonto eingerichtet: IBAN: AT911400001910666017 BIC: BAWAATWW Kennwort: Bierdel