In der Dezemberausgabe des Grazer Straßenmagazins Megaphon habe ich über Politik und Humor geschrieben:
Lachen gegen die Angst
Nichts fürchten die Mächtigen mehr als Menschen, die Spaß haben
Immer wenn die Häuptlinge des nordamerikanischen Volkes der Hopi hoch zu Ross ihre Macht demonstrierten, zäumten die Chühü’wimkya ihre Pferde von hinten auf. Die „Gegenteilmenschen“, wie diese Clowns bei den Hopi hießen, provozierten dann lärmend und obszön gestikulierend Gelächter und stahlen ihren Führern die Show. Und wenn der mächtige Schamane das Volk mit Magie und Zauberei beeindruckte, wurde er von den Gegenteilern so patschert imitiert, dass alle lachend seine Tricks durchschauten.
Finanzkrise, Klimawandel, Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung, Diskriminierung, Arbeitslosigkeit, Sozialabbau: Das alles ist natürlich kein Grund zum Lachen. Oh nein: Es ist, je nach Geschmack und Tagesverfassung, zum Fürchten, zum Ausderhautfahren, zum Verzweifeln. Jo eh. Nur: Das hilft alles nichts. Schlimmer noch: Es hilft erst wieder nur den Mächtigen. Denn deren Macht gründet sich vor allem auf unserer Angst, unserem Frust und unserer Resignation.
Früher war der Hofnarr der Einzige, der den König öffentlich kritisieren konnte. „Kinder und Narren sagen die Wahrheit“, heißt es. In Umberto Ecos „Der Name der Rose“ versuchen die Kirchenfürsten Aristoteles’ Buch über die Komödie zu verbieten, weil sie wissen, dass die Menschen mit dem Lachen ihre Angst – und sie selbst damit ihre Macht – verlieren würden. Wäre Charlie Chaplins grandioser Film „Der große Diktator“ im Dritten Reich gezeigt worden, hätte dann nicht sogar Hitler seine mystische Aura eingebüßt, weil die Leute über sein absurdes Gehabe gelacht hätten? Wer lacht, ist gefährlich. Nicht umsonst landeten viele große Clowns – wie Chaplin, Dario Fo, Leo Bassi oder Jango Edwards – für ihre Späßchen im Gefängnis und wurden oder werden von den Mächtigen bekämpft. So wie zuletzt das Kabarettistenduo Stermann und Grissemann, dem der Kärntner Landeshauptmann verbieten lassen möchte, die Mystifizierung seines Vorgängers dorthin zu führen, wo sie hingehört: ad absurdum.
Die Chühü’wimkya, die Gegenteiler, galten bei den Hopi einst als Garantie für das soziale Gleichgewicht der Gesellschaft, als wirksamstes Mittel gegen Machtmissbrauch. Wer den Ernst der Lage erkannt hat, darf vor allem eines nicht: sich das Lachen verbieten lassen.