Kategorie: Grüne

  • VBW: Try, fail, try again.

    Heute beschließt der Kulturausschuss der Stadt Wien eine Zusatzsubvention von 4,9 Millionen Euro für die Vereinigten Bühnen Wien (VBW), also für die beiden Musicalbühnen Ronacher und Raimund Theater und für das Opernhaus Theater an der Wien. Das, obwohl im Rot-Grünen Koalitionspakt eindeutig festgeschrieben ist, dass die VBW zugunsten neuer Kulturprojekte Einsparungen vornehmen sollen.

    Für mich persönlich bedeutet das eine der schmerzhaftesten Entscheidungen seit ich Kulturpolitiker bin: Die freie Szene und kleinere Theater, aber auch größere Häuser wie das Volkstheater sind fast durch die Bank unterfinanziert. Gleichzeitig passiert nun das, wogegen ich mich immer gewehrt habe: Weil ein großer Kulturkonzern, der mit rund der Hälfte des Wiener Theaterbudgets gefördert wird, mit der gewährten Subvention nicht auskommt und mit Stellenabbau droht, soll ihm für zwei Jahre eine Zusatzförderung in Millionenhöhe gewährt werden, während ein großer Teil der Kulturschaffenden weiterhin prekär arbeitet.

    Damit kein Zweifel entsteht: Auch die Grünen wollen natürlich verhindern, dass Beschäftigte der VBW ihren Job einbüßen, Koalitionspapier hin oder her. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch um die prekären Verhältnisse in kleineren Kulturinstituionen und in der freien Szene kümmern: Die Armutsgefährdungsquote von KünstlerInnen ist laut einer Studie des BMUKK dreimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung und fünfmal so hoch wie jene der Erwerbstätigen insgesamt. Ganz abgesehen davon, dass kleinere Institutionen öffentliche Mittel wesentlich effizienter verwenden – sowohl was den kreativen Output als auch die Beschäftigungsimpulse betrifft, wie z.B. diese Studie beweist.

    Ich habe daher versucht, eine vorübergehende Subventionserhöhung als Kompromiss zumindest an zwei konkrete Bedingungen zu knüpfen:

    • einen neuen kulturpolitischen Auftrag zu formulieren, die zumindest eine der beiden Musicalbühnen für künstlerisch innovativere Projekte und die freie Szene zugänglich macht
    • wenigstens ein Drittel des nun zusätzlich gewährten Betrages als Zusatzsubvention für die freie Theaterszene zu budgetieren, und zwar je zur Hälfte für die Klein- und Mittelbühnen und für die kuratierten freien Gruppen

    Nun muss ich bekennen: ich bin damit – zumindest vorläufig – gescheitert, weil ich dafür keine Mehrheit gefunden habe. Und: Die Budgetentscheidung wurde nicht auf kulturpolitischer sondern auf Koalitionsebene getroffen. Das muss ich, wenn auch zähneknirschend, zur Kenntnis nehmen. Weil: Politik, zumindest Regierungspolitik, bedeutet auch Kompromisse eingehen. Ich finde aber, man sollte in der Politik nicht nur Erfolge kommunizieren, sondern durchaus auch mal das eigene Scheitern: Das dauernde Schönreden von schmerzhafen Kompromissen führt zu einen Glaubwürdigkeitsverlust unseres gesamten politischen Systems und unserer Profession. Ich bekenne also mein vorläufiges Scheitern in dieser Frage und stimme nach langem Überlegen dennoch heute im Kulturausschuss der Förderung für die VBW zu.

    Warum? Weil es weder der Sache noch Irgendwem was bringen würde jetzt allein den Helden zu spielen und z.B. dem Ausschuss fernzubleiben, bei der Abstimmung aufs Klo zu gehen oder dagegenzustimmen. Ich habe lange, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln für eine meiner Meinung nach bessere Lösung gekämpft, aber eben diesmal keine Mehrheit dafür gefunden. An dieser Stelle sei übrigens erwähnt dass sich auch die Kulturpolitiker der SPÖ engagiert für eine Lösung eingesetzt haben und weiter einsetzen, die einerseits die Existenz der VBW langfristig absichert ohne dass deren Subventionsbedarf weiterhin steigt, und andererseits auf eine ausgewogene Verteilung des Kulturbudgets abzielt. Weil wir das nur gemeinsam schaffen stimme ich der VBW-Subvention zu, auch wenn es mir lieber gewesen wäre zumindest die oben genannten zwei Bedingungen gesichert zu wissen.

    Was dank gemeinsamer Anstrengung zumindest gelungen ist: Die auf zwei Jahre befristete Subventionserhöhung ist an die Bedingung geknüpft dass die VBW noch im ersten Halbjahr des kommenden Jahres einen Reformplan vorlegen müssen, der die erneute Senkung der Subvention zumindest aufs derzeitige Niveau langfristig garantiert. Wörtlich heißt es dazu im Subventionsakt:

    Dabei darf es keine Tabus geben: Dass Millionenförderungen für kommerzielle, am Broadway eingekaufte Musicalproduktionen wie „Sister Act“ oder „Natürlich Blond“ ausgegeben werden ist – nicht nur angesichts der knappen Budgetmittel für die kreative Kulturszene – aus kulturpolitischer Sicht nicht erklärbar. Wenn es am freien Markt eine Nachfrage dafür gibt: Bitteschön, dann soll es auch der freie Markt finanzieren. Ich habe dazu bereits vor einem halben Jahr Vorschläge gemacht. Es werden daher nicht nur Einsparungspotenziale innerhalb des bestehenden Systems ausgereizt werden müssen, sondern wir müssen auch den kulturpolitischen Auftrag an die einzelnen Bühnen infrage stellen und neu formulieren: Hin zu mehr Eigenproduktionen, zu zeitgemäßen Inhalten und Darstellungsformen und zu einer Öffnung für die freie Szene.

    Vieles von dem hätte bereits viel früher passieren sollen, dann müssten wir nicht jetzt Fehler der Vergangenheit ausbaden. Aber auch das habe ich gelernt: Die Mühlen der Politik mahlen langsam. Manchmal sieht es sogar so aus aus würden sie rückwärts mahlen. Aber vielleicht holen sie ja nur Schwung für den nächsten Anlauf? Ich werd jedenfalls das Meine zu diesem Schwung beitragen.

    Und abschließend: Ich weiß, es ist in Österreich nicht üblich, als Politiker Zweifel, offene Fragen oder gar das eigene Scheitern einzugestehen. Ich weiß auch dass ich mir damit nicht nur Freunde machen werde. Aber ich glaube fest, dass wir die Glaubwürdigkeit des politischen Systems nur durch mehr Transparenz von Entscheidungsprozessen erhalten können. Und eingestandenes Scheitern heißt ja auch wieder aufstehen. Wie sagte Samuel Beckett? Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.

  • Kulturausschuss vom 4. November 2013

    Hier das Protokoll des heutigen Kulturausschusses. Wo nicht anders vermerkt erfolgte die Abstimmung einstimmig.

    Post Nr. 1
    Dem Magistrat wird im Jahr 2014 im Bereich der Neuen Medien eine erste Rate von 152 000 EUR gewährt, davon wird zur Bewilligung von Subventionen im Bereich der Förderung der Neuen Medien im Jahr 2014 eine erste Rate in Form eines Rahmenbetrages in der Höhe von 150 000 EUR gewährt. Für die Bedeckung ist im Voranschlag 2014 Vorsorge zu treffen.

    Post Nr. 2
    Die Magistratsabteilung 7 – Kultur wird zum Abschluss einer Mehrjahresvereinbarung ermächtigt. Dem Subventionsnehmer INTER-THALIA Theater BetriebsgesmbH werden für die Jahre 2014 – 2015 nachstehende Subventionen bis zu den genannten Beträgen gewährt:
    präliminiert 2014 590 000 EUR
    präliminiert 2015 590 000 EUR
    Bei Nichtzustandekommen der Mehrjahres-Vereinbarung soll der Vereinigung nur eine einjährige Förderung gewährt werden. In Anlehnung an die im Wr. Museumsgesetz vorgesehene Regelung behält sich die Stadt Wien vor, diese Förderung zu kürzen oder teilweise zu sperren, wenn eine Verschlechterung der finanziellen Situation der Stadt Wien eintritt oder sonst die Einhaltung von mit dem Bund und den übrigen Gebietskörperschaften vereinbarten Stabilitätszielen gefährdet erscheint. Das Ausmaß der Kürzung oder Sperre darf jedoch, wenn sie für das laufende Jahr erfolgt, 2,5 vH, sonst 5 vH des für das vorangegangene Jahr geleisteten Betrages nicht überschreiten. Für die Bedeckung der Beträge für die Jahre 2014 bis 2015 ist in den Voranschlägen der kommenden Jahre Vorsorge zu treffen.

    Post Nr. 3
    Die Magistratsabteilung 7 – Kultur wird zum Abschluss einer 4-Jahresvereinbarung mit der Wiener Taschenoper ermächtigt. Dem Subventionsnehmer Wiener Taschenoper werden für die Jahre 2014 – 2017 nachstehende Subventionen bis zu den genannten Beträgen gewährt:
    präliminiert 2014 100 000 EUR
    präliminiert 2015 100 000 EUR
    präliminiert 2016 100 000 EUR
    präliminiert 2017 100 000 EUR
    Bei Nichtzustandekommen der 4-Jahres-Vereinbarung soll der Vereinigung nur eine einjährige Förderung gewährt werden. In Anlehnung an die im Wr. Museumsgesetz vorgesehene Regelung behält sich die Stadt Wien vor, diese Förderung zu kürzen oder teilweise zu sperren, wenn eine Verschlechterung der finanziellen Situation der Stadt Wien eintritt oder sonst die Einhaltung von mit dem Bund und den übrigen Gebiets-körperschaften vereinbarten Stabilitätszielen gefährdet erscheint. Das Ausmaß der Kürzung oder Sperre darf jedoch, wenn sie für das laufende Jahr erfolgt, 2,5 vH, sonst 5 vH des für das vorangegangene Jahr geleisteten Betrages nicht überschreiten. Für die Bedeckung der Beträge für die Jahre 2014 bis 2017 in der Höhe von je 100 000 EUR ist in den Voranschlägen der kommenden Jahre Vorsorge zu treffen. (mehr …)

  • Nicht genug gestritten?

    Dieser Kommentar ist hier auch auf derstandard.at erschienen.

    Vor gut zwei Wochen hat Österreich einen neuen Nationalrat gewählt. Besser gesagt: Weniger als 60 Prozent der erwachsenen Wohnbevölkerung haben gewählt, wenn man die über 2 Millionen NichtwählerInnen und die fast eine Million Menschen abzieht, die zwar hier leben, Steuern zahlen usw., aber mangels StaatsbürgerInnenschaft nicht wählen durften (siehe dazu diese aufschlussreiche Grafik). Knapp mehr als die Hälfte von ihnen haben mit ihrer Stimme für SPÖ oder ÖVP für die nicht mehr ganz so große Koalition votiert, deren „neuer Stil“ sich schonmal mit einem 26-köpfigen Verhandlungsteam manifestiert, bei dem sage und schreibe vier Frauen mitreden dürfen. Ein Fünftel setzte auf schlechte Reime und Autoerotik, knapp sechs Prozent investierten in eine Bad Bank und fünf Prozent in was Neos, eine Art ÖVP mit menschlichem Antlitz, wenn man von der Forderungen nach einer Stärkung der EU-Festungswache Frontex samt schärferen Strafen für FluchthelferInnen (vulgo Schlepper) absieht – ein Punkt im Wahlprogramm, den man nach der Katastrophe von Lampedusa nun immerhin ändern will.

    Und die Grünen? Die gewannen mit dem professionellsten Wahlkampf aller Zeiten (ProWallZe) zwei Prozentpunkte dazu und liegen nun mit 12,4 statt der angestrebten 15 Prozent immerhin im europäischen Spitzenfeld. Das möge bejubelt werden, darauf schwor uns die Parteispitze noch am Wahlabend ein, auch wenn vielen ganz offensichtlich nicht nach Jubel zumute war: Weil die FPÖ dazugewonnen hat, weil die Fortsetzung des reaktionär-korrupten Rot-Schwarzen Stillstands droht, weil wir mehr wollten. (mehr …)

  • Wir wollen das modernste Transparenzgesetz Europas

    Im letzten Gemeinderat vor der Sommerpause initiierten wir eine Aktuelle Stunde zum Thema „Gläserne Stadt statt gläserne BürgerInnen – Informationsfreiheit für mehr Demokratie und weniger Korruption“. Weil das eines meiner wichtigsten Anliegen ist hier das Wortprotokoll meiner Rede:

    Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

    Wir haben diese Aktuelle Stunde initiiert, weil wir glauben, dass die Informationsfreiheit und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus der Bundesverfassung eines der wichtigsten Themen ist, vor allem damit Politik und Verwaltung wieder mehr Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung bekommen; und weil wir glauben, dass dieses Thema eines der wichtigsten Mittel zur Korruptionsbekämpfung ist.

    Ich hoffe eigentlich darauf, dass wir hier im Wiener Gemeinderat gemeinsam mit der Opposition so etwas wie einen Konsens darüber erzielen können, dass es eigentlich in unser aller Interesse sein sollte, Informationsfreiheit und Transparenz voranzutreiben und dieses Relikt aus einem obrigkeitsstaatlichen Denken, das als Amtsgeheimnis in der Bundesverfassung leider noch immer verankert ist, endlich wegzubekommen.
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  • Warum ich das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien unterstütze

    Ich gebe zu, ich hab mich nicht besonders intensiv damit beschäftigt, aber es ärgert mich ziemlich mit welchen Argumenten sich Leute aus meinem (politischen) Umfeld gegen das kommende Woche startende Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien aussprechen. Deshalb möchte ich den von mir am häufigsten gehörten Argumenten hier in aller Kürze und Unvollständigkeit etwas entgegensetzen und zum Unterschreiben auffordern (mit den Argumenten katholischer Kreise setzt sich Mitinitiator Niko Alm hier auseinander):

    1. Die Religionsfreiheit ist ein Grund- und Menschenrecht
    Eben. Das Volksbegehren richtet sich NICHT gegen Kirchen, Religionen oder gar Gläubige, sondern gegen die Privilegien einzelner Kirchen – allen voran der römisch-katholischen. Das geht auf Kosten der Freiheit Anders- oder Nichtgläubiger. Weil nur wenn Angehörige egal welcher Religion und Konfessionsfreie vom Staat gleich behandelt werden diese Freiheit garantiert ist.

    2. Aber viele der ProponentInnen sind AtheistInnen
    Stimmt, auch ich habe keine lautstarke Unterstützung von Religionsangehörigen für die Trennung von Kirche und Staat und gegen Kirchenprivilegien vernommen. Schade eigentlich. Das ist ein bisschen so wie wenn das Frauenvolksbegehren vor 15 Jahren nur von Frauen initiiert worden wäre. Hoppala, das Frauenvolksbegehren wurde nur von Frauen initiiert, oder? Schade eigentlich! Deren Schuld? Vermutlich eher nicht. Ich hab’s, nona, unterschrieben.

    3. Die ProponentInnen treten missionarisch, ja sogar mit religiösem Eifer auf.
    Mal halblang. Dass jemand, der/die einen von ihm/ihr so empfundenen gesellschaftlichen Missstand mit einem gewissen Eifer und Einsatz bekämpft ist ja nix Schlechtes, oder? Mir ist aufgefallen, dass dieses Argument vor allem Leute – leider auch meines politischen Umfeldes – vorbringen, von denen ich mir durchaus mehr „Glaube“ an die Möglichkeit zur Veränderung, mehr Utopie, Mut und Überzeugungskraft wünschen würde.

    4. Kirchliche Institutionen und religiöse Menschen engagieren sich so wie wir für soziale und menschenrechtliche Anliegen
    Stimmt, und das ist ihnen hoch anzurechnen. Aber wenn sie gegenüber anderen Vereinen und Gruppen die das ebenso tun vom Staat – z.B. finanziell – besser gestellt werden geht das häufig auf deren Kosten. Oder glaubt ihr an wundersame Geldvermehrung? Warum also nicht gleichbehandeln?

    5. Einzelne Forderungen des Volksbegehrens sind falsch oder überzogen
    Mal ehrlich: Bei welchem Anliegen mit mehr als zwei Forderungen seid ihr mit allen hundertprozentig einverstanden? Wie oft habt ihr schon eine Partei gewählt wo ihr nicht mit dem kompletten Parteiprogramm einverstanden seid? Ich bin sogar Mandatar einer solchen! Es geht doch bitte in erster Linie um die grundsätzliche Kritik daran dass sich über die Jahrhunderte eine Macht etabliert hat, die demokratisch nicht legitimiert ist, die in vielen Bereichen gesellschaftlich bigott und rückständig ist, Menschenrechte (z.B. von Frauen & gleichgeschlechtlich Liebenden) mit Füßen tritt und trotzdem immer noch – gerade eben leider auch in diesen Bereichen – großen politischen Einfluss ausübt und auf unser aller Kosten gegenüber anderen Gruppen privilegiert ist. Das endlich einmal öffentlich infrage zu stellen, zu diskutieren und dann im Einzelnen über die jeweils gesellschaftlich beste Lösung nachzudenken, dazu kann dieses Volksbegehren beitragen. Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb:

    Du sollst hingehen!

     

  • Flüchtlinge: Weil sie leben wollen und nicht nur überleben

    Heute fand im Wiener Landtag auf Verlangen der Grünen eine Debatte zum Thema „Menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen in Österreich“ statt. Hier meine Rede, die ich – zum lautstarken Missfallen der rechten Oppositionsparteien – auf Englisch begonnen habe, da einige der Flüchtlinge die Debatte auf der Galerie verfolgten:

    First of all, I want to give my respect and my warm welcome to all the Refugees and their supporters who are struggling for nothing less than being treated as human beings in Austria. The city of Vienna cannot fulfill all your demands, most of them have to be solved by the national authorities and some of them on European level. But as a European Metropolis, as a city that is proud of being ranked of having the highest quality of life in the world, we can and should express our solidarity and our welcome to any single person that comes and looks for shelter, respect and perspective of a decent live in our wonderful hometown.

    Wir erleben gerade einen historischen Moment in Wien. Viele von uns sind damit überfordert. Viele von uns – auch jene, die immer für eine sozial gerechte, weltoffene und respektvolle Gesellschaft eingetreten sind – sind überfordert mit der Tatsache, dass da auf einmal Menschen kommen, Verfolgte, Flüchtlinge, die nicht als BittstellerInnen auftreten, die nicht das Haupt neigen wenn sie um Asyl, um Hilfe, um Obdach bitten, sondern die Forderungen stellen, Forderungen, die von vielen als überzogen wahrgenommen werden, weil sie nicht in unser Bild von BittstellerInnen, von Gästen, von verfolgten Armutschkerln passen.

    Weil sie leben wollen und nicht nur überleben, weil sie nicht nur versorgt werden wollen, ja in Wahrheit gar nicht versorgt werden wollen, sondern Arbeit, Bildung, Selbstbestimmung, Lebensperspektiven und freie Ortswahl, ja überhaupt Freiheit verlangen. (mehr …)

  • Über Freiheit, Kunst und Zensur

    Dutzende Mails, hunderte Kommentare auf Twitter, bis dato 350 Posts allein auf meiner Facebook-Seite: Ich weiß jetzt, was ein Shitstorm ist. Was war passiert?

    Am Mittwoch kontaktierte mich ein Journalist des Kurier, der mich fragte warum ich im vergangenen Kulturausschuss einer Subvention von insgesamt 712.000 Euro für VÖM (das ist Planet Music im Gasometer) und Szene Wien, beide geleitet von Josef „Muff“ Sopper, zugestimmt hätte. Immerhin hätten doch die Grünen – neben anderen Bedenken – immer dagegen protestiert, dass dort immer wieder explizit sexistische, homophobe und rassistische Bands aufgetreten seien. Und für den 8.12., also gestern, sei erneut eine Band programmiert, die alle drei Kriterien in besonders ekelhafter Weise vereint: Die Hinichen, eine Gruppe, die explizit frauen- und lesbenfeindliche, Gewalt gegen Frauen verherrlichende und rassistische Inhalte verbreitet – etwa mit Texten wie „Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus, wir treiben die Lesben vor uns her (…) Die Fotzen ja die ghörn verdroschen“ (s.u.). (mehr …)

  • Endlich: Lueger-Ring umbenannt!

    „Dass ich das noch erlebe!“, war die erste freudige Reaktion vieler, als wir im April die Umbenennung des Dr. Karl Lueger Rings in Universitätsring bekannt geben konnten. Genau zwanzig Jahre zuvor hatten die Grünen im Wiener Gemeinderat den ersten Antrag gestellt, den Ringabschnitt zwischen Uni und Burgtheater umzubenennen. Der Grund: Der christlichsoziale Wiener Bürgermeister Lueger war ein übler Antisemit und Hetzer, wofür er sogar von Hitler bewundert wurde. Er kann getrost als Wegbereiter des populistischen Antisemitismus bezeichnet werden, der letztendlich in der Shoah mündete. Mehrere Straßen, Plätze, Bauwerke und Denkmäler sind ohne jegliche historisch-kritische Reflexion nach ihm benannt. Dass ausgerechnet die ehrwürdige Alma Mater seit der austrofaschistischen Machtübernahme so eine peinliche Adresse an so prominenter Stelle tragen musste war für die Grünen, aber auch für kritische WissenschafterInnen und KünstlerInnen, für die Israelitische Kultusgemeinde, den Verein Gedenkdienst, den Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals und andere antifaschistische Initiativen ebenso unverständlich wie die unreflektierte Ehrung durch das Denkmal am gleichnamigen Platz. Vor allem aber für überlebende Opfer des Antisemitismus und ihre Nachfahren, für Jüdinnen und Juden, war diese Geschichtsverweigerung ein Schlag ins Gesicht.

    Seit 1992 haben die Grünen deshalb zahlreiche Anträge auf einen aktiven Umgang mit diesen Schandflecken der Wiener Stadtgeschichte eingebracht – und scheiterten immer wieder an der Rathausmehrheit, die sich vehement gegen eine Umbenennung aussprach. Und natürlich liefen auch die beiden Rechtsparteien Sturm gegen den Verlust ihrer Identifikationsfigur.

    Rot-Grün macht’s möglich

    Nun, reichlich spät, im Jahr 2012, ist es endlich soweit. Unsere jahrelange Überzeugungsarbeit, der Druck der Universität Wien, aber auch der vielen Menschen die im Hintergrund Sensibilisierungsarbeit geleistet haben, zeigt Wirkung. Heute vormittag durfte ich gemeinsam mit Stadtrat Mailath-Pokorny und Unirektor Heinz Engl die Straßentafel des neuen Universitätsring enthüllen. Besonders freut mich, dass der Kulturstadtrat das Grüne Anliegen nun zu seinem gemacht hat. Die Rechten schreien, lassen wir sie schreien. Wir werden dranbleiben und weiterhin auf einen aktiven Umgang mit den dunklen Flecken unserer Vergangenheit setzen. Ich nenne hier – neben der notwendigen Kontextualisierung des Lueger-Denkmals – etwa die vereinbarten rot-grünen Koalitionsprojekte zur Errichtung von Mahnmälern für Deserteure ebenso wie für homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus, die Erhaltung jüdischer Friedhöfe, die Infragestellung dubioser Ehrengräber und weitere öffentliche Plätze, die zurzeit von einer HistorikerInnenkommission unter Leitung von Prof. Oliver Rathkolb untersucht werden.

    Es geht nicht um Tilgung von Vergangenheit, im Gegenteil: Es geht um den Versuch von Wiedergutmachung und um eine aktive Auseinandersetzung nach dem Motto „Niemals vergessen!“ als Basis für eine lebendige Weiterentwicklung von Demokratie und Menschenrechten.

  • KünstlerInnen: Ab ins Prekariat!

    Vor einigen Wochen löste ein Buch heftige Diskussionen aus, weil die Autoren eine Halbierung der Kulturinstitutionen forderten (ich habe es hier besprochen). Die Reaktion auch heimischer sozialdemokratischer KulturpolitikerInnen war einhellig: Das geht gar nicht.

    Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) hat sich nun mit ÖVP und BZÖ auf eine andere Halbierung geeinigt. Eine, deren Opfer sich jedenfalls wesentlich schlechter wehren können als die etablierten Kulturtanker: Heute wurde im Kulturausschuss des Parlaments beschlossen, den KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds radikal zu plündern. Hier die Hintergründe und Folgen dieses Überfallsaktes. Der Grüne Kultursprecher im Parlament Wolfgang Zinggl protestierte dagegen ebenso wie die betroffenen KünstlerInnen.

    Diese – allen voran die IG Freie Theaterarbeit und der Kulturrat Österreich – organisierten heute einen Flashmob vor dem Parlament. Ich war dabei und durfte für die Plattform ichmachpolitik.at kommentieren:

  • WIENWOCHE: Projekte gesucht!

    Wer bei den Begriffen Kultur und Wien gleich an die Lipizzaner denkt, sollte kommenden Herbst die etwas andere Kulturveranstaltung besuchen. Dort geht es um gesellschaftliche Verhältnisse jenseits der Glückseligkeit von Tourismusbroschüren.

    Vom 21. September bis zum 7. Oktober dieses Jahres wird in Wien erstmals das von mir  initiierte Kulturprojekt WIENWOCHE stattfinden. Gestern hat das neue Leitungsteam die Schwerpunkte präsentiert und die Ausschreibung der teilnehmenden Projekte bekannt gegeben:

    regiert werden agieren

    Was heißt es unter aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen gemeinsam aktiv zu werden und was kann das bewirken? Wie erfinden wir uns neu, wenn wir vermeintliche Selbstverständlichkeiten, sei es des Konsums, des Geschlechts oder der Grenzen hinterfragen und hinter uns lassen? Welches Verhältnis bauen wir zur Sprache auf, wenn wir sie als nicht festgelegt, sondern viel mehr als von uns veränderbar begreifen? Welche wären unsere Wünsche an unsere Arbeitsplätze, wenn uns nicht die nächste Arbeitslosigkeit bedrohen würde?

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