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SPÖ

Wir geben der Sozialdemokratie ihre Seele zurück

Vor gut drei Wochen habe ich mich hier für eine Grün-Rote Regierung in Wien ausgesprochen. Im Falter und im Standard hat sich – für österreichische Verhältnisse ungewöhnlich mutig – auch Grün-Chefin Maria Vassilakou klar zu einer Koalition mit der SPÖ bekannt. Die Reaktionen darauf fielen überwiegend positiv aus. Rot-Grün wäre in Wien die mit Abstand beliebteste Regierungsform, in einer Standard-Umfrage wird sie sogar von 60 Prozent favorisiert.

Umso befremdlicher reagierte die Wiener SPÖ. Anstatt cool zu kontern: „Nein, wir wollen nicht Grün-Rot sondern Rot-Grün“ oder ehrlicherweise zuzugeben, dass – weil Raiffeisen und andere großindustrielle Freunde Häupls das so wünschen – längst Rot-Schwarz ausgedealt und unterschrieben ist, verstiegen sich die Partei-„Strategen“ in völlig abstruse Behauptungen: So drohe allen Ernstes eine „schwarzblaugrüne Chaoskoalition“, die aus purem Sozihass den roten Bürgermeister aus dem Amt hebeln wolle.

Entschuldigung, aber: Unklüger geht’s goa net. Nicht nur, dass Maria Vassilakou mehrfach und unzweideutig klargestellt hat: „Es gibt eine Kraft, mit der wir uns niemals vorstellen könnten, zusammenzuarbeiten, und das ist nun mal die FPÖ.“ Sondern auch weil jede/r (Noch-)SympathisantIn der SPÖ weiß, dass die Wiener Grünen als einzige Menschenrechtspartei never ever an den rechten Hetzern und Kellernazis auch nur anstreifen würden. Persönlich füge ich hinzu: Nur über meine Leiche. Und keine/r meiner Grünen KollegInnen würde es als Morddrohung auffassen wenn ich sage: Nur über die ihre!

Aus vielen (trotz allem) freundschaftlichen Gesprächen mit Wiener SozialdemokratInnen weiß ich nun, dass die Parteispitze mit diesem Wahnwitz bereits seit Monaten sowas wie parteiinterne Gehirnwäsche zu betreiben versucht. Als „Beleg“ wurde die Aussage eines FPÖlers (!) ins Treffen geführt, der gern gemeinsam mit Schwarz und Grün den Bürgermeister absägen würde. Na dann! Und weil’s den Grünen irgendwann zu fad geworden ist, jeden Rülpser jedes ang’rennten Efflers zu kommentieren, war der Beweis erbracht: Die Grünen wollen mit Strache! Eh kloa!

Vergangene Woche legten die roten Spinn-Doktoren noch eins drauf: Weil alle Oppositionsparteien eine Verpflichtungserklärung zugunsten eines minderheitenfreundlicheren Wahlrechts unterschrieben haben, ließ sich ein ansonsten eh netter SPÖ-Abgeordneter zu völlig vertrottelten Lügenbehauptungen und Photoshopmontagen unter der Gürtellinie hinreißen: „Ziel ist es, nach der Wahl ein Zweckbündnis einzugehen (…) Wien würde damit seinen Bürgermeister Häupl verlieren, eine Chaoskoalition aus schwarz und grün mit einer mögichen blauen Duldung oder gar einer blauen Regierunsbeteiligung wäre möglich. Barbara Rosenkranz als Wiener Kulturstadträtin will ich mir gar nicht vorstellen…“. Hämmhämm, räusperräusper.

Meine persönliche Meinung zur ominösen Verpflichtungserklärung: Ich halte es für völlig legitim, als Oppositionspartei gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien (die man sich bekanntlich nicht aussuchen kann) eine Reform im Sinne einer Demokratisierung des Wahlrechts anzustreben. Ich sehe keinen Sinn darin, nur weil die Rechten einmal recht haben, dagegen (und damit in der Sache falsch) zu stimmen. Und die SPÖ, die nicht nur auf Bundesebene (ohne Widerspruch der Wiener Abgeordneten) gemeinsam mit den Rechten rassistische Fremdenpakete beschließt und Kellernazis zu Nationalratspräsidenten macht, sondern auch in Wien mit FPÖ und ÖVP das menschenverachtende Bettelverbot und andere Grauslichkeiten durchsetzt, ist die letzte, die den Grünen hier Purismus abverlangen darf. Ich stimme mittlerweile aber auch mit Robert Misik, Susanne Zöhrer und vielen anderen überein, dass es rückblickend unnötig war, das ganze als Notariatsakt zu inszenieren. Die Message ist angekommen, wir sind kritik- und lernfähig.

So. Und für die Zukunft wünsch ich mir: Ein bisserl mehr Stil, ein bisserl mehr Intelligenz, und – hey, Freunde, es ist Wahlkampf! – ein bisserl mehr Sportsgeist und Eleganz. Wir wollen, liebe SozialdemokratInnen, mit euch Wien wieder zur Weltstadt machen und ihr solltet euch davor (weil ihr dafür viele Eurer Pfründe aufgeben müsst) ein bisserl, aber (weil wir nur gemeinsam ein gutes Leben für alle in dieser Stadt schaffen können) nicht allzusehr fürchten. Und natürlich werden wir uns gegenseitig in diesem Wahlkampf nix schenken und euch jeden einzelnen Fall vorhalten, in dem ihr Lebensperspektiven verbaut und öffentlichen Raum zerstört. Aber wir sollten uns alle miteinander bewusst sein dass das Publikum – zumindest unser gemeinsames Publikum (für diejenigen, die ihr in die Arme der Hetzer getrieben habt, mag anderes gelten) – ein Mindestmaß an Fair Play von uns erwartet.

Und nochwas, an jene linken oder liberalen SozialdemokratInnen, die immer von der notwendigen inneren Erneuerung der SPÖ reden: Ihr solltet Euch auf die Hinterfüße stellen, und zwar bald. Eure Chefs haben sich bereits auf Rot-Schwarz festgelegt. Dann kriegt ihr in Wien dasselbe wie im Bund: Raiffeisen, Privatisierungswahn, Neoliberalismus, Rassismus, Diskriminierung und Verfolgung von Minderheiten. More of the same halt. Das Bettelverbot sei euch eine Lehre. Das alles kriegt ihr nur weg, wenn ihr gemeinsam mit uns Grünen dagegen ankämpft. Wir stehen dafür bereit. Wir geben, wenn ihr so wollt, der Sozialdemokratie ihre Seele zurück.

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Liebe SPÖ! Wir wollen Grün-Rot, und was wollt ihr?

gruenewienlogospoe_logoMaria „vass we can!“ Vassilakou did it, und zwar im letzten Falter: Sie hat, und das ist in der österreichischen politischen Landschaft sechs Monate vor einer Wahl eine absolute Premiere, eine klare Koalitionsansage gemacht: „Österreich braucht endlich ein Gegenmodell zu Rot-Schwarz. Rot-Grün in Wien wäre so ein Neubeginn.“ Und weiter: „Wer jetzt Rot-Grün will, muss Grün wählen.“

Ja, ich will. Ich will Grün-Rot. Nicht weil ich die Wiener SPÖ so super finden würde. Im Gegenteil. Und noch weniger weil ich mir das Leben als Abgeordneter einer Regierungspartei so super vorstelle (im Gegenteil, das Leben als Minderheitspartei in einer Regierung mit der SPÖ ist wahrscheinlich wesentlich ungemütlicher als erste Reihe fußfrei auf der Oppositionsbank zu sitzen).

Sondern weil ich angetreten bin, um an einer Veränderung dieser Stadt mitzuwirken. Ich will, dass Wien – derzeit (auch dank der SPÖ) eine der reichsten, saubersten und bestverwalteten, aber auch eine der unfreundlichsten, grantigsten und engstirnigsten Metropolen des Planeten – eine demokratische, offene, lebendige und fröhliche Weltstadt wird, eine Stadt ohne Armut und ohne Hetze gegen Minderheiten, ein europaweites Vorbild in Sachen Klimaschutz, Chancengleichheit, Vielfalt und Demokratie.

Die SPÖ weiß, dass mit uns, den Grünen, Freunderlwirtschaft, Packelei und das Drüberfahren über Grund- und Minderheitenrechte nicht mehr gehen. Deswegen spekulieren Häupl und Co. für den wahrscheinlichen Fall des Verlustes der absoluten Mehrheit mit einer Schwarz-Roten Koalition, mit Nettig, Pröll und Raiffeisen. Sie fürchten sich sogar so vor Grün-Rot, dass sie wider besseres Wissen die absurdeste aller Lügengeschichten zu verbreiten versuchen: „FPÖ, ÖVP und Grüne packeln, um SPÖ-Bürgermeister zu verhindern!“ und eine „Chaos-Koalition“ zwischen (extremen) Rechten und Grünen an die Wand malen. Da kann man nur mehr mit Robert Misik fragen: „Wieso seids ihr eigentlich derart deppert?

Natürlich gibt es auch auf Grüner Seite Bedenken gegen Grün-Rot: Sollte man sich wirklich dieser verkrusteten, verwahrlosten SPÖ an die Brust werfen? Sollte man nicht lieber sagen „nicht mit DIESER SPÖ, sondern nur mit einer, die sich fundamental ändert?“

Dem halte ich entgegen: Eh klar. Aber:

  • DIESE, also  die verkrustete, verwahrloste Häupl-SPÖ will eh nicht mit uns, sondern mit den Schwarzen. Grün-Rot gibt’s nur, wenn die SPÖ soviel verliert, dass sie gegen 40 Prozent rutscht, und die Grünen deutlich zulegen. Denn nur dann werden jene Kräfte innerhalb der Wiener SPÖ, die ebenfalls Veränderung wollen (also die GUTE SPÖ) die Oberhand gewinnen. Das heißt: Auch SozialdemokratInnen, die Rot-Grün wollen, werden am 10. Oktober Grün wählen.
  • Und: Sollte es tatsächlich Grün-Rot geben, ergibt sich die die Veränderung der SPÖ von selbst. Denn nur dann – und das werden mir alle meine sozialdemokratischen FreundInnen bestätigen – setzen sich die GUTEN SP-ler in sozial-, umwelt-, demokratie- und grundrechtspolitischen Fragen gegen die Betonierer durch. Grauslichkeiten wie etwa das Bettelverbot, für das sich zahlreiche Rote ohnehin genieren, wären bei Grün-Rot undenkbar – nicht nur wegen der Grünen, sondern weil der rechtspopulistische Betoniererflügel der Altherren-SPÖ an Einfluss verlieren würde.

Deswegen – für Wien und für alle die in dieser Stadt gut leben wollen, aber nicht zuletzt auch für die Zukunft der Sozialdemokratie, will ich Grün-Rot. Und ich werde – unter anderem hier – das meine dazu beitragen, bis zur Wahl am 10. Oktober so etwas wie eine Grün-Rote Vision zu zeichnen. So, und weil’s so schön ist gleich nochmal, liebe SPÖ: Ja, ich will Grün-Rot. Und was wollt ihr?

Ja, ich will: Rot-Grün für Wien!

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Augarten: Eine Wiener Geschichte von Freunderlwirtschaft zulasten der Bevölkerung

Finanzmanager Peter Pühringer und Sängerknaben-Chef Walter Nettig wollen sich am Augartenspitz ein Denkmal setzen – gegen die erklärten Interessen von AnrainerInnen und Stadtbevölkerung, dafür aber mit Unterstützung durch Nettig-Freund Michael Häupl. Nach einer gewaltsamen Räumung wurde einer der schönsten Flecken Wiens nun gerodet und mit Stacheldraht umzäunt.

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Die brutale Opferung öffentlichen Raums für Privatinteressen könnte für die Wiener SPÖ aber ein Pyrrhussieg werden: Der Widerstand hält an, und dem Bürgermeister droht ausgerechnet im Wahljahr ein „kleines Hainburg“ – mitten in der Stadt.

Eine gute Analyse des „bloßen Machtspiels“ von Häupl und Nettig bringt die heutige Wiener Zeitung:

Konzertsaal der Sängerknaben zeigt, dass gut gemeint meist nicht gut ist

Von Reinhard Göweil

Am Anfang stand eine noble Geste: Die Privatstiftung des Finanzmanagers Peter Pühringer schenkt 2004 den Wiener Sängerknaben fünf Millionen Euro. Damit soll eine eigene Spielstätte mit 500 Sitzplätzen errichtet werden. Das Erstprojekt sieht vor, sie unterirdisch – neben dem Palais im Augarten in Wien-Leopoldstadt – zu errichten. Grundwasser-Probleme und die Sorge um den alten Baumbestand im Augarten lassen die Kosten auf 18 Millionen Euro schnalzen. Das Projekt scheitert.

Doch warum fünf Millionen Euro für eine Spielstätte einfach liegen lassen? Also wird ein neues Projekt oberirdisch geplant – als architektonisches „Landschaftsrelief“ im Bereich Augartenspitz. Auch dieses Projekt scheitert an der Finanzierung. Zudem unterliegt der Wiener Augarten den Denkmalschutz-Bestimmungen. Und das Denkmalamt verkleinert das Projekt. Trotzdem wird von den Sängerknaben verbissen daran festgehalten. Die Pühringer-Privatstiftung ist mittlerweile bereit, zwölf Millionen Euro bereitzustellen. Warum noch mehr Geld einfach liegen lassen?

Kulturmanager melden sich zu Wort und hinterfragen die Sinnhaftigkeit des Projektes der Sängerknaben: Es gebe ausreichend Konzertsaal-Kapazitäten in Wien, und die Sängerknaben müssten nicht unbedingt im Augarten auftreten. Eine Bürgerinitiative bildet sich, um gegen den Bau zu protestieren. Einer der Einwände: Es gibt kein Verkehrskonzept für die Veranstaltungen und vor allem keine Parkplätze. Die Pühringer-Stiftung macht auch dazu Vorschläge, allerdings müsste eine Straßenführung geändert werden. Das ist der Gemeinde Wien zu aufwendig.

Die Bürgerinitiative „Rettet den Augartenspitz“ bekommt Zulauf, Künstler engagieren sich. Wir befinden uns im Jahr 2007, die Gemeinde ist skeptisch.

Im Jahr 2008 wird der frühere Wiener Wirtschaftskammer-Chef Walter Nettig Präsident der Wiener Sängerknaben. Nettig hat exzellente Kontakte ins Wiener Rathaus, vom Bürgermeister abwärts. Mit seinem Einsatz beginnen sich die Dinge (wie etwa die Baugenehmigung) zu beschleunigen, allerdings auch der Konflikt mit den Gegnern des Projekts. Er kumuliert mit der polizeilichen Räumung der Baustelle.

Aus der ursprünglich noblen Geste ist ein bloßes Machtspiel geworden. Aus den ursprünglich architektonisch interessanten Entwürfen ist ein bloßer Konzertsaal geworden. Die Baugrube ist nach der Rodung der Bäume abgesperrt und wird 24 Stunden bewacht. Gegner kampieren davor, sind in Facebook aktiv. Idylle schaut anders aus.

Ein schlüssiges Verkehrskonzept gibt es immer noch nicht – Busse sollen beim Prater parken. Die Frage, ob der Konzertsaal benötigt wird, ist ebenfalls unbeantwortet. Ach ja – die Sängerknaben geben von jetzt bis Ende Oktober 31 Konzerte in Wien, die meisten davon in der Hofburgkapelle und im Musikverein.

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Der Standard: Sozialdemokratische Verwahrlosung

Heute erschien im Standard ein Gastkommentar von mir über das Bettelverbot:

Assoziationen zur politischen Semantik eines Begriffs und zum Zustand einer Partei anlässlich der Verschärfung des Wiener Sicherheitsgesetzes – von Klaus Werner-Lobo

Nein, ich habe mich nicht verschrieben: Die Wiener SPÖ (und nicht nur die FPÖ, die dazu allerdings heftig applaudiert) betreibt neuerdings Armutsbekämpfung, indem sie die Armen bekämpft, polizeilich verfolgt und fürs Armsein bestraft.

Heute, Freitag, wird sie einen Initiativantrag in den Landtag einbringen, der erstens das gewerbsmäßige Betteln unter Strafe stellt und zweitens der Polizei die Wegweisung von Bettlern und anderen Randgruppen aus dem öffentlichen Raum – noch mehr als bisher schon – erleichtern soll. Darunter fallen für die SPÖ auch Personen mit „verwahrlostem Auftreten“ , konnte man bis vor kurzem in der Begründung des Antrags lesen. Ob die solcherart definierte Zielgruppe auch moralisch heruntergekommene Parteifunktionäre einschließt, war dem Schriftstück nicht zu entnehmen.

Bettelnde Menschen passen jedenfalls „nicht in ein modernes Stadtbild“ , wie der Kurier per Online-Umfrage sogleich erhob. Sie humpeln über saubere Einkaufsstraßen und lauern vor Supermärkten: Vor allem Menschen aus Osteuropa, die um ein paar Euro betteln oder Straßenzeitungen verkaufen. Manche haben ihre Kinder in Lumpen gewickelt oder entblößen die Stümpfe amputierter Gliedmaßen, ihr klagendes „Bitte, Bitte“ bohrt sich in die Gehörgänge der Passanten. Ein unangenehm nachklingender Fehlton im pulsierenden Sound dieser blitzblank verwalteten Metropole. Ein Geschwür im Körper der angeblich lebenswertesten Stadt der Welt. Und es werden immer mehr. …

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SPÖ stellt noch klarer: Es geht nicht um Verstümmelte, es geht um unbequemes Sitzen!

Siegi Lindenmayr ist ein Mann der klaren Worte. Als Replik auf eine Stellungnahme der Wiener Bettellobby zum geplanten Bettelverbot der Wiener SPÖ hat er zunächst „das Herankarren von moldawischen Bettlern, die sich absichtlich verstümmeln und danach organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen“ behauptet und unter anderem mit dem notwendigen Vorgehen gegen die Opfer (!) die Gesetzesänderung begründet („Denn genau gegen diese Gruppe bzw. deren Hintermänner richtet sich die Änderung des Gesetzes.“)

Offenbar hat er diese Selbstverstümmlerbanden frei erfunden, um Stimmung gegen BettlerInnen zu machen. Auf meiner Facebookseite schreibt er nämlich nun:

Mein Kommentar war im medizinischen Sinn sicher unkorrekt, das tut mir leid. Und ich antworte Ihnen/dir gerne, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich hatte u.a. z. B. jene Person vor Augen, die sich – bevor die Umbaumaßnahmen auf der Friedensbrücke begonnen hatten – in der Mitte der Brücke auf ein Bein gesetzt hatte um vorzutäuschen, es gäbe nur mehr das andere. Nach ein paar Stunden sitzen kann das vermutlich nachhaltige Beeinträchtigungen für das eine Bein nach sich ziehen. Das meinte ich und nicht, dass sich jemand die Beine abhackt. Oder jene Person, die mit Krücken unter dem Arm die Althanstraße recht flott entlang gegangen und ab dem Julius Tandler Platz mit den Krücken nur mehr gehumpelt ist. Ich möchte Ihnen/dir gegenüber hiermit meine Wortwahl präzisieren bzw. richtigstellen.
Ich bin in meinem Bezirk häufig zu Fuß unterwegs und kann zumindest diese Beispiele aus eigener Wahrnehmung festhalten. Wenn nötig, kann ich auch gerne den Inhalt aus Zwiegesprächen zwischen Bettlern und mir am Julius Tandler Platz (=Franz Josefsbahnhof) wiedergeben.

Siegi Lindenmayr ist von Beruf Klubobmann der Wiener SPÖ.

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SPÖ stellt klar: Es geht nicht um Verwahrloste, es geht um Verstümmelte

Siegi Lindenmayr, Klubchef der Wiener SPÖ, hat auf eine Stellungnahme der Wiener Bettellobby zum geplanten Bettelverbot geantwortet. Weil man das schöner nicht sagen kann, sei hier der ganze Text ungekürzt wiedergegeben:

Insbesondere durch Mandatare der Grünen wurden bewusst Teile des Initiativantrages miteinander vermengt, die sich einerseits mit Bettelei und andererseits mit dem Wegweiserecht befassen. Aus diesem Grund haben die GemeinderätInnen, die den Initiativantrag eingebracht hatten, die taxative Aufzählung der Gruppen inkl. dem Begriff “verwahrlost” streichen lassen. Interessant finde ich jedenfalls, dass so manche Personen offenbar das Herankarren von moldawischen Bettlern, die sich absichtlich verstümmeln und danach organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen, begrüßen. Denn genau gegen diese Gruppe bzw. deren Hintermänner richtet sich die Änderung des Gesetzes. Betteln für den “Eigenbedarf” wird weiterhin möglich sein.

Ferdinand Koller von der Bettellobby antwortet darauf:

1. Sind uns nach mehrjährigen Recherchen keine Fälle von Bettelbanden, die sich selbst verstümmeln und bettelnde Menschen ausbeuten etc. bekannt. Auch von Seiten der Polizei wurde uns gegenüber und in letzter Zeit im Radio immer wieder betont, dass diesbezüglich keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. Woher haben Sie Ihre Informationen von moldawischen Banden? Da ich mich auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinander setze, wäre ich sehr daran interessiert.
2. Falls es solche Banden tatsächlich gibt, dann treffen Sie mit dem Verbot des “gewerbsmäßigen Bettelns” gerade die Falschen, nämlich diejenigen, die zum Betteln gezwungen werden. Wenn Sie schon wissen, dass diese Menschen Opfer sind, warum wollen Sie sie dann bestrafen?
(…)

Nun ist natürlich jeder auf die Lüftung des Geheimnisses um die Moldawische Selbstverstümmlermafia gespannt. Doch Lindenmayr spannt uns auf Facebook weiter auf die Folter:

Die Debatte darüber wird ohnehin im Landtag geführt und jede Person kann die Diskussion z. B. im Internet mitverfolgen. Die Fragen werden dort beantwortet werden.

Ganz Wien wird sich übernächsten Freitag also hinter den livestream klemmen um zu ergründen, wie die SPÖ die moldawischen Selbstverstümmler daran hindern wird, dass sie sich „organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen“.

Ein erster Erfolg ist es jedenfalls schon mal, dass die SPÖ aufgrund unseres Drucks den Begriff „verwahrlost“ aus dem Gesetzesentwurf streichen will (siehe pdf des neuen Antrags). Allerdings frage ich mich natürlich, ob ich nun beim Flashmob am 26.3. um 9h vor dem Rathaus verstümmelt statt verwahrlost dagegen betteln muss?

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Bettelverbote und die Verwahrlosung der Wiener SPÖ

Als Erster hat der Grüne Landtagsabgeordnete Martin Margulies darauf hingewiesen: Die Wiener SPÖ möchte in der Landtagssitzung am 26. März einen Initiativantrag zur polizeilichen Verfolgung von BettlerInnen einbringen. In Zukunft sollen all jene des Ortes verwiesen werden, die „andere Personen beim widmungsgemäßen Gebrauch von öffentlichen Einrichtungen unzumutbar beeinträchtigen“.

sipolbettelei11Wer damit gemeint ist, kann in der Begründung nachgelesen werden: Obdachlose, DrogenkonsumentInnen, bettelnde Menschen, Menschen mit „verwahrlostem Auftreten“.  Außerdem soll das „gewerbsmäßige Betteln“ verboten werden: Betteln soll „sofern die Absicht der wiederkehrenden Begehung zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle zu bejahen ist, strafbar sein.“ Was in der Praxis bedeutet, dass alle BettlerInnen, aber auch Personen, die der Polizei aufgrund ihres nonkonformistischen Aussehens nicht zu Gesicht stehen, mit dem Verweis von öffentlichen Plätzen oder Geldstrafe von bis zu 700 Euro bzw. Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche rechnen müssen.

Das heißt: Statt Armut zu bekämpfen hat sich die Wiener SPÖ nun entschieden die Armen zu bekämpfen. Und erntet dafür tosenden Applaus der FPÖ. Durch die Begriffsbestimmung werde schließlich nahezu jede Form der Bettelei, die derzeit in Wien auftrete, unter Strafe gestellt, jubelt auch die ÖVP, obwohl die SPÖ behauptet, kein generelles Verbot des Bettelns einführen zu wollen. Der „Kurier“ startete gar eine Umfrage: „Fühlen Sie sich von Bettlern belästigt?“ – „Ja, Bettler gehören nicht in ein modernes Stadtbild“, antworteten knapp 70 Prozent von 72 LeserInnen, die bis heute mitgestimmt haben.

Die Straßenzeitung „Augustin“ erinnert an die Kategorisierung von „Verwahrlosten“ im Wien des Nationalsozialismus und erinnert die Häupl-SPÖ: „Vor hundert Jahren hätte die Sozialdemokratie gegen eine solche Armeleute-Bekämpfungs-Justiz einen Generalstreik diskutiert.“ Auch die Wiener Bettellobby verurteilt den Gesetzesentwurf scharf: „Die (…) Erweiterung der Wegweisung zeugt  von einer in Wien – seit der nationalsozialistischen Verwaltung – noch nie da gewesenen Intoleranz gegenüber Menschen, die von Armut betroffen, suchtkrank bzw. nicht Mainstreamkonform sind.“

Als ich auf Facebook auf die ethische Verwahrlosung der Wiener SPÖ hinwies, konterte deren Klubobmann Siegi Lindenmayr nur patzig „dass sich Quereinsteiger besonders bemühen müssen, bei den etablierten Basis-Grünen Fuß zu fassen“. Auf inhaltliche Argumente ging er nicht ein. Zwei Kommentatoren warfen den Grünen – die als Einzige nächste Woche gegen den SP-Antrag stimmen werden – vor, „Leute, die organisierte Bettlerei (…) stört, nicht ernst zu nehmen“ bzw. „ins rechte Eck“ zu stellen. Das haben die Grünen zwar mit keinem Wort getan, sondern nur – zugespitzt, aber völlig zurecht – die Wiener SPÖ. Außerdem dürften noch immer viele Menschen ein paar Mythen über „organisiertes Betteln“ in Wien aufsitzen, die z.b. hier aufgeklärt werden.

Außer Streit steht, dass alle Formen von Menschenhandel und Ausbeutung unabhängig von der sozialen Herkunft der TäterInnen professioneller und vor allem strukturell nachhaltiger bekämpft werden müssen (wozu der vorliegende Gesetzesentwurf allerdings rein gar nichts beiträgt!). Warum muss man das bei Bettlern eigentlich dazusagen, nicht aber z.B. bei organisierten Bankern? Ich stelle hier auch die Frage, mit welchem Recht sich Mittelstandsangehörige, die sich in ihren Berufen erfolgreich organisieren, Menschen, die am unteren Rand der Gesellschaft überleben wollen, das Recht zur Organisation absprechen? Und warum auch sonst kritische Geister bei sozial Benachteiligten „organisiert“ offenbar gleich als „kriminell organisiert“ denken?

buffonOder noch konkreter, wie es Philipp Sonderegger ausdrückt: „Wessen Komplize bin ich?“ Und weiter: „Das perfide an diesem Vorhaben (der Wiener SPÖ, Anm.) ist, dass eine nachvollziehbarer Empfindung mißbraucht wird, um eine unbillige Maßnahme durchzusetzen. Man muß verwahrloste Menschen nicht unbedingt mögen, aber hier wird die Abneigung gegen Randgruppen instrumentalisiert, um die Privatisierung des öffentlichen Raums voran zu treiben.“

Dagegen wehren wir uns. Und zwar in Form eines Flashmobs am 26. März, dem Tag der Landtagssitzung, ab 9 Uhr vor dem Wiener Rathaus (Eingang Liechtenfelsgasse): Kommt so verwahrlost wie möglich, um gewerbsmäßig (allfällige Einnahmen kommen der „Bettellobby“ zugute) gegen dieses Gesetz und die ethische Verwahrlosung und den Rechtsruck der Wiener SozialdemokratInnen zu betteln!

Leseempfehlung:

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