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Demokratie

Crowdsourcing für den grünen Wahlkampf

Der Wiener Grüne Christoph Chorherr betreibt (so wie sein Parteikollege Peter Pilz) eines der interessanteren Weblogs österreichischer PolitikerInnen. Für den bevorstehenden Nationalratswahlkampf ruft Chorherr gemeinsam mit meinem Cousin Helge dazu auf, Ideen und Plakatentwürfe für die grüne Wahlwerbung zu liefern.

Ich bin in Designfragen nicht kompetent, auch wenn’s mir manchmal sogar Spaß macht (siehe diese Seite und unsdiewelt.com). Aber ich finde die Idee des Crowdsourcings sehr gut. Auch wenn ich mir (ähnlich wie wissenbelastet) über die Bedeutung von Wahlplakaten nicht sicher bin: Allein der Diskussionsprozess, der damit in Gang gesetzt wurde, ist begrüßenswert. Die mannigfachen Reaktionen auf Chorherrs Initiative zeigen, dass das angeblich so politikverdrossene Volk plötzlich große Lust auf politische Partizipation hat, wenn ernstgemeinte Mitsprachemöglichkeiten in Aussicht gestellt werden.

Gerade in diesem Sinne ist übrigens Chorherrs eigener Plakatentwurf (siehe links), der die Rot-Schwarze Koalition in listiger Anspielung auf die AnarchistInnenfahne als „Chaos“ hinstellt, unredlich. Wer das alte Vorurteil aufwärmt, dass Anarchismus Chaos bedeutet, demonstriert nur seine Ignoranz gegenüber den partizipatorischen Ansprüchen anarchistischer Vordenker (wie z.B. des Salzburgers Leopold Kohr).

Ich denke, dass angesichts aktueller Ereignisse – die elitäre Missachtung der Bevölkerung in EU-Fragen (auch durch die Grünen) auf der einen, nationalistischer Populismus auf der anderen Seite, das rechtsstaatlich fragwürdige Durchpeitschen von Überwachungsstaat und rassistischer Migrationspolitik, die Entmachtung demokratischer Institutionen im Sinne der Konzernlobbys und skandalöse Auswüchse wie die willkürliche Aufhebung von Bürgerrechten durch den §278a im Falle der inhaftierten TierschützerInnen – dringend eine Antwort auf die tiefsitzende Demokratiekrise gefunden werden muss. Wenn Kronenzeitung, Innenminister, WTO und der politische Archetypus George Wladimirowitsch Berluscozy die Macht übernommen haben, geht es vor allem darum, die Macht wieder für den demokratischen Souverän zurückzuerobern.

Chorherrs Initative ist ein guter Ansatz in die richtige Richtung. Die Grünen könnten diesen Weg zum Ziel machen, auch im kommenden Wahlkampf: Die Demokratie im regionalen, europäischen und globalen Kontext rückzuerobern und zu erneuern. Wenn die Grünen das wollen, sollen sie es meinetwegen auf Plakate schreiben. Wichtiger ist, dass sie ihren Anspruch auf mehr Partizipation in allen Politikfeldern glaubwürdig machen – und nicht nur beim Plakatdesign.

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EUuuh, auweh, ojeh, owei

Die alte Dame Europa hat ihre beste Chance verpasst. Nein, nicht wegen des Vertrags von Lissabon, den ein paar irre Iren den Abermillionen europhorischer Kontinentaleuropäer madig machen. Sie hat die Chance nicht genutzt, sich in Zukunft mit „die Euro“ statt „der Euro“ anreden zu lassen. Wo doch klar ist, wer von den beiden beliebter ist! Oder hat jemand unter all den Fähnchen mit oder ohne Zeitungslogo eine einzige EU-Fahne wehen gesehen? Und warum ist das außer mir fast niemandem abgegangen?

Vielleicht, weil die europäischen Eliten und ihre Medienvertreter auf die Fanmeile vergessen haben (ja, auch die gibt es!). Weil sie dort nur nationalpopulistische Hooligans (Krone, Strache, H.P.Martin) vermuten, fordern sie alle KritikerInnen pauschal auf, sich doch bitte einfach zu schleichen. „Ame-o ou deixe-o“ hieß das in der brasilianischen Diktatur der Siebziger Jahre: Love it or leave it. Und jetzt, wo die ganze Sache den Shannon runter ist, schreibt das neue Duo Waldorf & Stettler an der Spitze der österreichischen Sozialdemokratie einen Brief an Kermit den Froschkönig (dessen Zustandekommen profil-Chefsatiriker Rainer Nikowitz treffend skizziert) und verspricht den Hooligans Freibier.

Der Falter hat vergangenen Mittwoch einen Leserbrief von mir veröffentlicht, in dem ich den Versuch einer Kommentatorin kritisiert habe, auch intellektuell redliche Kritik am Vertrag von Lissabon zu delegitimieren:

Die Iren haben laut Umfrage der Irish Times mehrheitlich gegen den EU-Vertrag gestimmt, weil sie ihn als unverständlich und intransparent empfinden. Das ist er auch. Maßgebliche Entscheidungsträger haben zugegeben, ihn nicht einmal gelesen zu haben. Kompetente Kritiker, die frei von jedem Nationalismusverdacht sind, befürchten eher Einschränkungen als den Ausbau der europäischen Demokratie und die Festschreibung neoliberaler Ziele. Das ist ihr demokratisches Recht, genauso wie es das demokratische Recht der EU-Bevölkerung wäre über ein verständliches Vertragswerk mitentscheiden zu können. Hier stehen nicht 4 Millionen Iren gegen eine Halbe Milliarde Europäer, sondern ein Elitenprojekt gegen den zum Untertan gemachten Souverän. Dass auch der Falter nun das autoritäre “If you don’t love it, leave it”-Geschrei mitmacht zeugt von mangelndem Demokratieverständnis. Dass er eine Phalanx – also eine geschlossene Front – zwischen intellektuell redlichen, prinzipiell EU-freundlichen und vor allem antinationalistischen Kritikern  und den Rechtspopulisten herbeilügt, ist nicht nur “ziemlich unappetitlich”, sondern rufschädigend.

In seinem Offenen Brief an SPÖ-Chef Werner Faymann im gestrigen Online-Standard offenbart nun leider auch ein Aktivist der Plattform Volxabstimmung (eigenmächtig und deren Namen missbrauchend, wie mir gesagt wird), dass Demokratie für ihn Nebensache ist: „Lassen Sie mich als einer der BürgerInnen, deren Forderung Sie jetzt ernst nehmen, sagen: Was soll’s, Hauptsache die SPÖ hat Ihre demokratiemissachtende Position aufgegeben. Wie es dazu gekommen ist, ist Nebensache.“ Demokratie per Leserbrief an die Krone – was soll’s? Ich möchte hier festhalten, dass diese Art Schleimerei mit „intellektuell redlich“ nicht gemeint ist.

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Onlinegezwitscher

Nach Facebook und einer ganzen Latte weiterer mehr oder weniger sozialer Netzwerke bin ich jetzt auch auf Twitter. Was das ist und wozu es gut ist erklärt am besten Helge.

Auch wenn es oberflächlich nach bloß einer weiteren Art aussieht, im Internet Zeit zu verscheißen (ist es auch): Je mehr ich mich mit dem ganzen Zeugs beschäftige, desto mehr habe ich das Gefühl, dass diese Plattformen zusammen mit Weblogs, Wikis, Youtube usw. eine zusätzliche Möglichkeit schaffen, abseits klassischer Medien auch nichtkommerzielle Informationen in zunehmend relevantem Ausmaß zu verbreiten. Hier trägt nämlich weniger das Marketingbudget, sondern vor allem die Mund-zu-Mundpropaganda per Weiterzwitschern, Trackbacks und Kommentaren in Weblogs etc. zur Reichweite bei. Das ist nicht per se demokratisch, hat aber viel Potenzial. Mehr darüber demnächst.

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Polizisten auf die Straße!

Weil 105 Euro doch relativ viel sind, habe ich heute auf Anraten von Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vana einen Einspruch hinsichtlich der Höhe der Strafe (s.u.) verfasst und an die Bundespolizeidirektion Wien gesandt:

Lieber Herr ORat Mag. Kittinger,

in Anerkennung der Tatsache, dass ich mich am 7.4.2007 illegal versammelt habe möchte ich Sie höflichst bitten, das Strafmaß so weit wie möglich auf eine Ihnen angemessen erscheinende Höhe herabzusetzen, da ich

  • derzeit Clown in Ausbildung bin, als solcher noch über kein Einkommen verfüge und auch meine Einkünfte aus journalistischer Tätigkeit sich dem Ende zuneigen
  • irrtümlich der Annahme war, an einer angemeldeten Kundgebung zum Thema „Meinungsfreiheit“ teilgenommen zu haben. Niemals würde ich, wie in der Anzeige vermerkt, an einer Kundgebung teilnehmen, die das Thema „Mehr Polizisten auf Österreichs Straßen“ ins Lächerliche zieht, da ich überhaupt nichts gegen mehr Polizisten auf Österreichs Straßen habe, im Gegenteil!
  • mich so gut wie möglich bemühe ein guter Bürger zu sein in dessen Absicht es keinesfalls steht oder jemals stand, das Versammlungsgesetz zu übertreten.

Ich danke für Ihre wohlwollende Kenntnisnahme,

mit freundlichen Grüßen

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Ich habe mich illegal versammelt

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105 euro strafe verhängt die bundespolizeidirektion wien über mich, weil ich mir auf einer demonstration „für meinungsfreiheit“ eines grüppchens rassisten (siehe eintrag weiter unten) die freiheit geleistet habe, eine antirassistische meinung zu demonstrieren. hier ein auszug aus dem polizeiprotokoll:

Bemerkt wird, dass ab 14:00 Uhr eine angemeldete Kundgebung zum Thema „Mehr Polizisten auf Österreichs Straßen“ stattfand, an welcher insgesamt 4 Aktivisten teilnahmen. Als Mittel zur Manifestation wurde ein Transparent verwendet.

Durch die Teilnehmer der unangemeldeten Kundgebung wurde die ordnungsgemäß abgehaltene Kundgebung insofern gesört, in dem die Teilnehmer sich vor das Transparent stellten und durch Parolen das oa Thema ins Lächerliche zogen.

Aufgrund des Verhaltens der oa Teilnehmer der unangemeldeten Kundgebung wurde (…) die Kundgebung gem §14 VersG für aufgelöst erklärrt und die Manifestanten aufgefordert, die Versammlungsörtlichkeit unverzüglich zu verlassen. (…) Aufgrund der Tatsache, dass insgesamt 15 Manifestanten – unter ihnen der oa Angezeigte – der Verpflichtung gem VersG nicht nachkamen, lag nun eine Strafbarkeit gem oa zitierter Gesetzesstelle vor.

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uneingeladen in der zib

wer am mittwoch abend die zeit im bild 1 gesehen hat, mag sich gewundert haben, als orf-präsentator roland adrowitzer seine moderation eines beitrags über den eurofighter-unterausschuss unterbrechen musste, weil hinter ihm jemand aufmerksamkeit für das – in den hauptnachrichten nicht gerade präsente – thema der gewaltsamen trennung von paaren und familien durch den österreichischen staat erregte.

der hintergrund: auf der parlamentsrampe, die der orf für die adrowitzer-moderation auserkoren hatte, war gleichzeitig eine veranstaltung der initiative ehe ohne grenzen angemeldet. in adrowitzers demokratieverständnis scheint allerdings kein platz für das demonstrationsrecht zu sein. er wollte das parlament als aufnahmekulisse für sich alleine haben und versuchte die immerhin 300 demonstrantInnen mit worten wie „schleichts eich! putzts eich ihr idioten!“ aus dem bildhintergrund zu scheuchen. als teilnehmer daraufhin schilder mit botschaften gegen das fremdengesetz im bildwinkel der orf-kamera positionierten, rief er die polizei zuhilfe. diese konnte jedoch nichts gegen eine angemeldete demonstration unternehmen, und so ging das ganze on air.

im anschluss zeigte journalist adrowitzer deutlich weniger erziehung als auf sendung: „ihr sads ja völlig angschütt! eich hams ja ins hirn gsch…!“

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wie ich heute verhaftet wurde

heute war ich mit meiner frau sommerschuhe kaufen. danach sind wir zum parlament spaziert, wo drei leute ein transparent in die luft hielten, auf dem sie unter anderem die abschiebung von ausländern forderten. sie nannten sich initiative meinungsfreiheit und hatten jede menge kronenzeitungsschnipsel mit gruseligen geschichten über ausländerkriminalität dabei.

das mit der meinungsfreiheit gefiel mir, und ich sagte ihnen die meinung. nach kurzer zeit gesellten sich weitere fünfzig menschen mit ebenfalls eigener meinung zu uns, was zur folge hatte dass die message des trios ein bisschen unterging. dadurch wiederum sah die anwesende polizei dessen demonstrationsrecht gefährdet, worauf eine halbe hundertschaft wega-polizisten den platz zu räumen drohte.

ich versuchte dem einsatzleiter klarzumachen, dass es sich hier ja wohl um eine angemeldete demonstration für meinungsfreiheit handle und sich die ja nicht nur auf hassparolen beschränken könne. diese logik war ihm jedoch nicht zugänglich. er gab den einsatzbefehl und wies gleich einmal zwei seiner leute an, mich zu verhaften. ich wurde unsanft in einen käfigwagen verbracht, identifiziert und fotografiert, während die restlichen einheiten den platz stürmten und noch weitere rund zehn leute zum teil sehr gewaltsam verhafteten. wir verbrachten dann rund eine halbe stunde zusammengepfercht im gefängniswagen. danach – offenbar hatte das ausländerfeindliche trio entschieden, genug demonstriert zu haben – wurden wir wieder freigelassen.

was wir daraus lernen? dass es zwei arten von meinungsfreiheit gibt. die menschenfeindliche demonstriert unter polizeischutz. die andere wird abgeführt.

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