Assoziationen zur politischen Semantik eines Begriffs und zum Zustand einer Partei anlässlich der Verschärfung des Wiener Sicherheitsgesetzes – von Klaus Werner-Lobo
Nein, ich habe mich nicht verschrieben: Die Wiener SPÖ (und nicht nur die FPÖ, die dazu allerdings heftig applaudiert) betreibt neuerdings Armutsbekämpfung, indem sie die Armen bekämpft, polizeilich verfolgt und fürs Armsein bestraft.
Heute, Freitag, wird sie einen Initiativantrag in den Landtag einbringen, der erstens das gewerbsmäßige Betteln unter Strafe stellt und zweitens der Polizei die Wegweisung von Bettlern und anderen Randgruppen aus dem öffentlichen Raum – noch mehr als bisher schon – erleichtern soll. Darunter fallen für die SPÖ auch Personen mit „verwahrlostem Auftreten“ , konnte man bis vor kurzem in der Begründung des Antrags lesen. Ob die solcherart definierte Zielgruppe auch moralisch heruntergekommene Parteifunktionäre einschließt, war dem Schriftstück nicht zu entnehmen.
Bettelnde Menschen passen jedenfalls „nicht in ein modernes Stadtbild“ , wie der Kurier per Online-Umfrage sogleich erhob. Sie humpeln über saubere Einkaufsstraßen und lauern vor Supermärkten: Vor allem Menschen aus Osteuropa, die um ein paar Euro betteln oder Straßenzeitungen verkaufen. Manche haben ihre Kinder in Lumpen gewickelt oder entblößen die Stümpfe amputierter Gliedmaßen, ihr klagendes „Bitte, Bitte“ bohrt sich in die Gehörgänge der Passanten. Ein unangenehm nachklingender Fehlton im pulsierenden Sound dieser blitzblank verwalteten Metropole. Ein Geschwür im Körper der angeblich lebenswertesten Stadt der Welt. Und es werden immer mehr. …
Siegi Lindenmayr, Klubchef der Wiener SPÖ, hat auf eine Stellungnahme der Wiener Bettellobby zum geplanten Bettelverbot geantwortet. Weil man das schöner nicht sagen kann, sei hier der ganze Text ungekürzt wiedergegeben:
Insbesondere durch Mandatare der Grünen wurden bewusst Teile des Initiativantrages miteinander vermengt, die sich einerseits mit Bettelei und andererseits mit dem Wegweiserecht befassen. Aus diesem Grund haben die GemeinderätInnen, die den Initiativantrag eingebracht hatten, die taxative Aufzählung der Gruppen inkl. dem Begriff “verwahrlost” streichen lassen. Interessant finde ich jedenfalls, dass so manche Personen offenbar das Herankarren von moldawischen Bettlern, die sich absichtlich verstümmeln und danach organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen, begrüßen. Denn genau gegen diese Gruppe bzw. deren Hintermänner richtet sich die Änderung des Gesetzes. Betteln für den “Eigenbedarf” wird weiterhin möglich sein.
1. Sind uns nach mehrjährigen Recherchen keine Fälle von Bettelbanden, die sich selbst verstümmeln und bettelnde Menschen ausbeuten etc. bekannt. Auch von Seiten der Polizei wurde uns gegenüber und in letzter Zeit im Radio immer wieder betont, dass diesbezüglich keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. Woher haben Sie Ihre Informationen von moldawischen Banden? Da ich mich auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinander setze, wäre ich sehr daran interessiert.
2. Falls es solche Banden tatsächlich gibt, dann treffen Sie mit dem Verbot des “gewerbsmäßigen Bettelns” gerade die Falschen, nämlich diejenigen, die zum Betteln gezwungen werden. Wenn Sie schon wissen, dass diese Menschen Opfer sind, warum wollen Sie sie dann bestrafen?
(…)
Nun ist natürlich jeder auf die Lüftung des Geheimnisses um die Moldawische Selbstverstümmlermafia gespannt. Doch Lindenmayr spannt uns auf Facebook weiter auf die Folter:
Die Debatte darüber wird ohnehin im Landtag geführt und jede Person kann die Diskussion z. B. im Internet mitverfolgen. Die Fragen werden dort beantwortet werden.
Ganz Wien wird sich übernächsten Freitag also hinter den livestream klemmen um zu ergründen, wie die SPÖ die moldawischen Selbstverstümmler daran hindern wird, dass sie sich „organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen“.
Ein erster Erfolg ist es jedenfalls schon mal, dass die SPÖ aufgrund unseres Drucks den Begriff „verwahrlost“ aus dem Gesetzesentwurf streichen will (siehe pdf des neuen Antrags). Allerdings frage ich mich natürlich, ob ich nun beim Flashmob am 26.3. um 9h vor dem Rathaus verstümmelt statt verwahrlost dagegen betteln muss?
Als Erster hat der Grüne Landtagsabgeordnete Martin Margulies darauf hingewiesen: Die Wiener SPÖ möchte in der Landtagssitzung am 26. März einen Initiativantrag zur polizeilichen Verfolgung von BettlerInnen einbringen. In Zukunft sollen all jene des Ortes verwiesen werden, die „andere Personen beim widmungsgemäßen Gebrauch von öffentlichen Einrichtungen unzumutbar beeinträchtigen“.
Wer damit gemeint ist, kann in der Begründung nachgelesen werden: Obdachlose, DrogenkonsumentInnen, bettelnde Menschen, Menschen mit „verwahrlostem Auftreten“. Außerdem soll das „gewerbsmäßige Betteln“ verboten werden: Betteln soll „sofern die Absicht der wiederkehrenden Begehung zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle zu bejahen ist, strafbar sein.“ Was in der Praxis bedeutet, dass alle BettlerInnen, aber auch Personen, die der Polizei aufgrund ihres nonkonformistischen Aussehens nicht zu Gesicht stehen, mit dem Verweis von öffentlichen Plätzen oder Geldstrafe von bis zu 700 Euro bzw. Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche rechnen müssen.
Das heißt: Statt Armut zu bekämpfen hat sich die Wiener SPÖ nun entschieden die Armen zu bekämpfen. Und erntet dafür tosenden Applaus der FPÖ. Durch die Begriffsbestimmung werde schließlich nahezu jede Form der Bettelei, die derzeit in Wien auftrete, unter Strafe gestellt, jubelt auch die ÖVP, obwohl die SPÖ behauptet, kein generelles Verbot des Bettelns einführen zu wollen. Der „Kurier“ startete gar eine Umfrage: „Fühlen Sie sich von Bettlern belästigt?“ – „Ja, Bettler gehören nicht in ein modernes Stadtbild“, antworteten knapp 70 Prozent von 72 LeserInnen, die bis heute mitgestimmt haben.
Die Straßenzeitung „Augustin“ erinnert an die Kategorisierung von „Verwahrlosten“ im Wien des Nationalsozialismus und erinnert die Häupl-SPÖ: „Vor hundert Jahren hätte die Sozialdemokratie gegen eine solche Armeleute-Bekämpfungs-Justiz einen Generalstreik diskutiert.“ Auch die Wiener Bettellobby verurteilt den Gesetzesentwurf scharf: „Die (…) Erweiterung der Wegweisung zeugt von einer in Wien – seit der nationalsozialistischen Verwaltung – noch nie da gewesenen Intoleranz gegenüber Menschen, die von Armut betroffen, suchtkrank bzw. nicht Mainstreamkonform sind.“
Als ich auf Facebook auf die ethische Verwahrlosung der Wiener SPÖ hinwies, konterte deren Klubobmann Siegi Lindenmayr nur patzig „dass sich Quereinsteiger besonders bemühen müssen, bei den etablierten Basis-Grünen Fuß zu fassen“. Auf inhaltliche Argumente ging er nicht ein. Zwei Kommentatoren warfen den Grünen – die als Einzige nächste Woche gegen den SP-Antrag stimmen werden – vor, „Leute, die organisierte Bettlerei (…) stört, nicht ernst zu nehmen“ bzw. „ins rechte Eck“ zu stellen. Das haben die Grünen zwar mit keinem Wort getan, sondern nur – zugespitzt, aber völlig zurecht – die Wiener SPÖ. Außerdem dürften noch immer viele Menschen ein paar Mythen über „organisiertes Betteln“ in Wien aufsitzen, die z.b. hier aufgeklärt werden.
Außer Streit steht, dass alle Formen von Menschenhandel und Ausbeutung unabhängig von der sozialen Herkunft der TäterInnen professioneller und vor allem strukturell nachhaltiger bekämpft werden müssen (wozu der vorliegende Gesetzesentwurf allerdings rein gar nichts beiträgt!). Warum muss man das bei Bettlern eigentlich dazusagen, nicht aber z.B. bei organisierten Bankern? Ich stelle hier auch die Frage, mit welchem Recht sich Mittelstandsangehörige, die sich in ihren Berufen erfolgreich organisieren, Menschen, die am unteren Rand der Gesellschaft überleben wollen, das Recht zur Organisation absprechen? Und warum auch sonst kritische Geister bei sozial Benachteiligten „organisiert“ offenbar gleich als „kriminell organisiert“ denken?
Oder noch konkreter, wie es Philipp Sonderegger ausdrückt: „Wessen Komplize bin ich?“ Und weiter: „Das perfide an diesem Vorhaben (der Wiener SPÖ, Anm.) ist, dass eine nachvollziehbarer Empfindung mißbraucht wird, um eine unbillige Maßnahme durchzusetzen. Man muß verwahrloste Menschen nicht unbedingt mögen, aber hier wird die Abneigung gegen Randgruppen instrumentalisiert, um die Privatisierung des öffentlichen Raums voran zu treiben.“
Dagegen wehren wir uns. Und zwar in Form eines Flashmobs am 26. März, dem Tag der Landtagssitzung, ab 9 Uhr vor dem Wiener Rathaus (Eingang Liechtenfelsgasse): Kommt so verwahrlost wie möglich, um gewerbsmäßig (allfällige Einnahmen kommen der „Bettellobby“ zugute) gegen dieses Gesetz und die ethische Verwahrlosung und den Rechtsruck der Wiener SozialdemokratInnen zu betteln!
We use cookies on our website to give you the most relevant experience by remembering your preferences and repeat visits. By clicking “Accept All”, you consent to the use of ALL the cookies. However, you may visit "Cookie Settings" to provide a controlled consent.
This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may affect your browsing experience.
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. These cookies ensure basic functionalities and security features of the website, anonymously.
Cookie
Dauer
Beschreibung
cookielawinfo-checkbox-advertisement
1 year
Set by the GDPR Cookie Consent plugin, this cookie is used to record the user consent for the cookies in the "Advertisement" category .
cookielawinfo-checkbox-analytics
11 months
This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookie is used to store the user consent for the cookies in the category "Analytics".
cookielawinfo-checkbox-functional
11 months
The cookie is set by GDPR cookie consent to record the user consent for the cookies in the category "Functional".
cookielawinfo-checkbox-necessary
11 months
This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookies is used to store the user consent for the cookies in the category "Necessary".
cookielawinfo-checkbox-others
11 months
This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookie is used to store the user consent for the cookies in the category "Other.
cookielawinfo-checkbox-performance
11 months
This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookie is used to store the user consent for the cookies in the category "Performance".
CookieLawInfoConsent
1 year
Records the default button state of the corresponding category & the status of CCPA. It works only in coordination with the primary cookie.
PHPSESSID
session
This cookie is native to PHP applications. The cookie is used to store and identify a users' unique session ID for the purpose of managing user session on the website. The cookie is a session cookies and is deleted when all the browser windows are closed.
viewed_cookie_policy
11 months
The cookie is set by the GDPR Cookie Consent plugin and is used to store whether or not user has consented to the use of cookies. It does not store any personal data.
Functional cookies help to perform certain functionalities like sharing the content of the website on social media platforms, collect feedbacks, and other third-party features.
Performance cookies are used to understand and analyze the key performance indexes of the website which helps in delivering a better user experience for the visitors.
Analytical cookies are used to understand how visitors interact with the website. These cookies help provide information on metrics the number of visitors, bounce rate, traffic source, etc.
Cookie
Dauer
Beschreibung
_ga
2 years
The _ga cookie, installed by Google Analytics, calculates visitor, session and campaign data and also keeps track of site usage for the site's analytics report. The cookie stores information anonymously and assigns a randomly generated number to recognize unique visitors.
_gat_gtag_UA_118768927_2
1 minute
Set by Google to distinguish users.
_gid
1 day
Installed by Google Analytics, _gid cookie stores information on how visitors use a website, while also creating an analytics report of the website's performance. Some of the data that are collected include the number of visitors, their source, and the pages they visit anonymously.
CONSENT
2 years
YouTube sets this cookie via embedded youtube-videos and registers anonymous statistical data.
Advertisement cookies are used to provide visitors with relevant ads and marketing campaigns. These cookies track visitors across websites and collect information to provide customized ads.
Cookie
Dauer
Beschreibung
_fbp
3 months
This cookie is set by Facebook to display advertisements when either on Facebook or on a digital platform powered by Facebook advertising, after visiting the website.
fr
3 months
Facebook sets this cookie to show relevant advertisements to users by tracking user behaviour across the web, on sites that have Facebook pixel or Facebook social plugin.
VISITOR_INFO1_LIVE
5 months 27 days
A cookie set by YouTube to measure bandwidth that determines whether the user gets the new or old player interface.
YSC
session
YSC cookie is set by Youtube and is used to track the views of embedded videos on Youtube pages.
yt-remote-connected-devices
never
YouTube sets this cookie to store the video preferences of the user using embedded YouTube video.
yt-remote-device-id
never
YouTube sets this cookie to store the video preferences of the user using embedded YouTube video.
yt.innertube::nextId
never
This cookie, set by YouTube, registers a unique ID to store data on what videos from YouTube the user has seen.
yt.innertube::requests
never
This cookie, set by YouTube, registers a unique ID to store data on what videos from YouTube the user has seen.