Autor: Klaus Werner-Lobo

  • In weiter Ferne so nah: Europa

    Vorarlberg hat gewählt. Ui! Die SPÖ stinkt ab. Uiui! Oberösterreich wählt am kommenden Sonntag. Uiuiui! Worüber dieser Tage kaum jemand redet: In einer Woche stimmt Irland über das Vertragswerk von Lissabon ab – und damit über die Zukunft der Europäischen Union. Unsere Zukunft, falls es wer vergessen hat. Man könnte es fast meinen.

    Ich stehe den Verträgen gelinde gesagt reserviert gegenüber. Nicht nur, weil Sie Neoliberalismus und Militarisierung quasi in den Verfassungsrang heben und damit für ewige Zeiten festschreiben. Sondern auch, weil im gesamten Vertragsprozess so gut wie alles falsch gemacht wurde, was man nach demokratischen Kriterien falsch machen kann. Eine Reihe von Argumenten findet sich auf der Seite no-means-no.eu des globalisierungskritischen Netzwerks Attac.

    Für die Wiener Grünen habe ich Anfang des Jahres einen Text verfasst, den ich anlässlich des Referendums hier nochmal wiedergeben möchte:

    Und als nächstes: Die WU

    Ein vereintes Europa galt noch vor nicht allzu langer Zeit als utopisch. Warum nicht gleich die Utopie einer Weltunion denken?

    Die alte Dame Europa hat ihre beste Chance verpasst. Nein, nicht wegen des Vertrags von Lissabon, den ein paar irre Iren den Abermillionen europhorischer Kontinentaleuropäer madig gemacht haben. Sie hat die Chance nicht genutzt, sich nach der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr mit „die Euro“ statt „der Euro“ anreden zu lassen. Wo doch klar sein sollte, wer von den beiden die besseren Beliebtheitswerte hatte! Oder hat jemand im Juni 2008 unter all den Fähnchen mit oder ohne Zeitungslogo eine einzige EU-Fahne wehen gesehen? Und warum ist die fast niemandem abgegangen?

    Vielleicht, weil die europäischen Eliten auf die Fanmeile, das Fußvolk Europas vergessen haben. Weil sie dort nur nationalpopulistische Hooligans (Krone, Strache, H.P.Martin) vermuteten, forderten sie nach dem irischen „Nein“ alle VertragskritikerInnen pauschal auf, sich doch bitte einfach zu schleichen. „Ame-o ou deixe-o“ hieß das in der brasilianischen Diktatur der Siebziger Jahre: If you don’t love it, leave it. Wer die Lissaboner Verträge als zu undemokratisch, zu unsozial und vor allem als zu unlesbar empfand, wurde pauschal als uneuropäisch diffamiert. Auch vom EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber: „Mit denen ist keine Allianz möglich, weil sie die EU für unreformierbar halten“, behauptete er noch Ende November, nachdem ruchbar wurde, dass die grüne Parteispitze mehr Nähe zu GlobalisierungskritikerInnen suchte. Dabei haben gerade Attac & Co., aber auch namhafte Intellektuelle nichts anderes getan als eine demokratische Reform des Projekts Europa einzufordern.

    Zum Lissaboner Vertragswerk selbst habe ich übrigens keine Meinung. Ich bin schlicht zu doof es zu verstehen. Dabei hielte ich es nicht für ganz abwegig, wenn Verträge von den potenziell Betroffenen verstanden werden können. Die Europäische Union hingegen, die finde ich grundsätzlich super. Die empfinde ich mittlerweile fast als eine Art Mama, die uns beschützt, wenn Papa Staat wieder mal seine Ausfälle kriegt. Und zum Beispiel auf meinen Grundrechten oder denen von Minderheiten herumprügelt. Nicht auszudenken, wenn sie uns mit ihm allein lassen würde. Das Beste an der EU ist aber, dass sie dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital die vierte und wichtigste Grundfreiheit anheimgestellt hat: Den freien Personenverkehr. Wer möchte, kann sich innerhalb Europas frei bewegen, sich niederlassen und arbeiten. (mehr …)

  • Zündfunk: 10 Jahre Gipfelsturm – Und jetzt?

    Bayern 2: ZÜNDFUNK – Generator vom 26.7.09

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    Zehntausende demonstrieren im November 1999 gegen den Millenniumsgipfels der Welthandelsorganisation WTO. Heftige Straßenschlachten rufen zum ersten Mal eine neue Protestbewegung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit: die Globalisierungskritik ist geboren. Schon ein Jahr zuvor hat sich in Frankreich der Verein Attac gegründet. Sein Motto: „Eine andere Welt ist möglich!“ Was ist aus der globalisierungskritischen Bewegung geworden? Hat das Ringen um eine „andere Welt“ Erfolge gezeigt? Darüber hat der Zündfunk am 14. Juli in München im Café Muffathalle diskutiert.

    TeilnehmerInnen:

    KLAUS WERNER-LOBO
    NICOLE GOHLKE,  Die Linke
    ULRICH BRAND, Bundeskongress Internationalismus
    HAGEN PFAFF, Attac München

  • Warum ich Rassist bin

    zehnkleine1FM4 verzeichnet mit seiner Berichterstattung über die neue Eskimo-Werbelinie „I will mohr“ ein All-Time-High an Forumsbeiträgen. FM4-Autor Martin Blumenau erkennt darin eine „Flut von Postings, die gar nicht wirklich auf die Geschichte und das Gesagte reagieren, sondern auf ein sehr diffuses ‚Dahinter’“. Auch in der Blogosphäre und auf Twitter geht’s rund, und sogar der von mir gegründeten Facebook-Gruppe „Stop racist Unilever-Campaign in Austria“ mit immerhin 500 Mitgliedern in zwei Tagen treten Einzelne nur mit dem Ansinnen bei, das Gruppenanliegen zu delegitimieren. Der Tenor: „Mohr im Hemd“ sei eine traditionelle österreichische Süßspeise, „Mohr“ ein ohnehin antiquiertes Wort, mit dessen Verwendung Unilever Österreich keine rassistischen Absichten pflege. Und überhaupt gebe es wichtigere Probleme als das politisch korrekte respektive übersensible Rumreiten auf Wörtern (gibt es, aber wer von denen die das monieren hat sich bislang für die Lösung „wichtigerer“ Rassismusprobleme engagiert?).

    Dass Unilever rassistische Absichten hege hat dem multinationalen Unternehmen meines Wissens auch niemand vorgeworfen. Die dienen vielleicht – natürlich nicht explizit – als Legitimation auf anderer Ebene, nämlich da, wo man es aus Profitinteressen für legitim erachtet, Rohstoffe und Arbeitskräfte auszubeuten, etwa in der Palmölgewinnung oder bei der Ausbeutung afrikanischer oder indischer Tee- und BaumplantagenarbeiterInnen. In der aktuellen Werbekampagne profitiert man, indem man rassistische und kolonialistische Klischees ignorierend bedient, allenfalls vom fehlenden antirassistischen Grundkonsens im diesbezüglichen Entwicklungsland Österreich.

    Und der ist tatsächlich gravierend. Und zwar nicht nur da, wo etwa in den Kommentaren zu einem Bericht der Gratis-Schundzeitung Heute Afrikaner taxfrei aufgefordert werden, sich doch „in den Busch“ zurückzuschleichen (der Kommentar wurde mittlerweile gelöscht, entlarvend auch für die „Mohr im Hemd“-Freunde dafür ein anderer: „Es ist lange her, das man mit dem Begriff ‚Mohr‘ das Meinl-Logo oder Mehlspeise verband. Die heutige Spontanassoziation ist Asylbetrug und Drogendealer“). Sondern auch im aufgeklärten, linksliberalen Milieu. Da gibt sich etwa der Grünsympatisant Gerald Bäck unwissend, nicht ohne gegen „politische Korrektheit“ zu polemisieren, während andere wie der Schwulenaktivist Tom Kalkus oder der DÖW-Förderer und Sozialdemokrat Thomas Knapp auf einer Ebene witzeln, die nicht mehr sehr weit entfernt von ähnlichen Polemiken über antirassistischen Sprachgebrauch durch Neonazis ist.

    What’s going wrong?  Ein Problem liegt sicher in der fast völlig fehlenden Aufarbeitung von Rassimus, Faschismus und Kolonialismus im österreichischen Bildungs- und Mediensystem. Wer im Kindergarten noch die zehn kleinen Negerlein abgesungen hat und daraus mangels öffentlichem Diskurs auch als Erwachsener keine Schlüsse gezogen hat, an dem ist womöglich auch die jahrelange Aufklärungsarbeit antirassistischer Organisationen oder VertreterInnen der Black Community (knapp am Arsch) vorbeigegangen. Das kann passieren, obwohl ich es zumindest bei Intellektuellen auch als eine Holschuld betrachte, sich diese Aufklärung anzueignen. Ein anderes Problem ist aber die ebenfalls typisch österreichische reflexartige Schuldumkehr, die ihre Ursache vermutlich in der psychosozialen Verfasstheit der Nazienkelgeneration hat: „Ich bin kein Rassist“ lautet die, und wer mir – oder auch Dritten – Rassismus unterstellt, wird als übersensibler, humorloser Gutmensch delegitimiert.

    Dazu sollte ich vielleicht mal Folgendes klarstellen: Ich für meinen Teil bin Rassist. Ich bin Rassist, weil auch ich strukturell rassistisch sozialisiert bin, auf rassistische Kodizes zum Teil unbewusst reagiere (etwa wenn ich bei Menschen anderer Hautfarbe spezifische Eigenschaften oder Verhaltensweisen antizipiere) und weil auch ich bis vor nicht allzu vielen Jahren z.B. nicht gewusst habe, dass und warum Ausdrücke wie Farbige etc. rassistisch bzw. potenziell verletzend sind. Das ist auch kein Verbrechen – solange man sich des eigenen, anerzogenen strukturellen Rassismus (ähnlich verhält es sich mit Sexismus, Homophobie, Antisemitismus etc.) bewusst ist, diesen reflektiert und vor allen Dingen auf entsprechende Hinweise – etwa durch Betroffene – wohlwollend reagiert. Wenn das aber nicht geschieht, dann ist – und ich verwende den Ausdruck bewusst – auch struktureller und z.B. sprachlicher Rassismus ein Verbrechen, weil er gegen die Menschenwürde verstößt. Und deshalb auch nicht Gegenstand der freien Meinungsäußerung. Dass sich das bei uns – im Gegensatz zu entwickelten Ländern wie z.B. Brasilien – noch nicht in der Gesetzgebung niedergeschlagen hat, ist keine Legitimation sondern ein politischer Missstand.

    Wer also seine Aufklärung nachholen will, dem sei z.B. das Buch „Deutschland Schwarzweiß – der alltägliche Rassismus“ von Noah Sow ans Herz gelegt. Aufschluss über den alltäglichen Rassismus in Wien bietet auch Markus Wailands Film „Here to stay“ (kurzer Ausschnitt auf Youtube, aktueller Kommentar im Standard). Dort erklärt die afroamerikanische Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison, wie in New York mit rassistischen Schmierereien wie in Wien umgegangen würde: „In Amercia people tend to solve problems with major forms of violence. There would probably be very little discussion. There would be a bloodshed.“ Das ist vielleicht auch nicht ideal, aber ich mag die erfrischende Klarheit, mit der sie das sagt.

    Nachtrag 6.8.: Hier noch ein sehr lesenswerter Kommentar der Sprachwissenschafterin Verena Krausnecker: Mach dir nicht ins Hemd

  • Stop racist Unilever-Campaign in Austria

    eskimoweb1_bodySoeben habe ich eine Facebook-Gruppe mit dem Ziel gegründet, internationalen Druck auf Eskimo Österreich aufzubauen, damit dieser seine neue „Mohr im Hemd“-Werbelinie stoppt und eine offizielle Entschuldigung abgibt. Die Bezeichnung „Mohr im Hemd“ für eine traditionelle österreichische Süßspeise beruht auf rassistischen und kolonialistischen Klischees. Es ist dabei unerheblich, ob Eskimo damit Rassismus intendiert (was ich ausdrücklich nicht unterstelle) oder die österreichische Mehrheitsbevölkerung die Kampagne als rassistisch empfindet. Die Fortschreibung rassistischer Bilder im Sprachgebrauch ist für von Rassimus Betroffenen verletzend und deshalb strukturell rassistisch.

    Für einen internationalen Konzern (hier ein paar ältere Infos aus dem Schwarzbuch Markenfirmen über Unilever, zu dem Eskimo gehört) ist das imageschädigend, deshalb bitte ich Euch der Facebook-Gruppe beizutreten und an die unten angeführten Adressen Protestmails zu schicken. Und kündige auch gleich an, dass eine allfällige Fortsetzung der Werbelinie in der nächste Ausgabe des Buches ihren Niederschlag finden wird.

    The Austrian branch of transnational company Unilever (Eskimo) is producing and marketing a new ice-cream under the name „Mohr im Hemd“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Mohr_im_Hemd).

    „Mohr“ (moor) as a colonial german word for African or Black people has a heavily colonialist and racist connotation. „Mohr im Hemd“ (moor in the shirt) is a traditional Austrian chocolate speciality which reminds of naked, „wild“ Africans. Unilever refuses any racist intentions and claims that it has tested the name for it’s campaign in broad market studies without any critical feedback. This does not surprise, given that racist wording and action is still widely accepted in Austria.

    That’s why we want to get Unilever as a transnational company to put pressure to its Austrian branch to stop the „Mohr im Hemd“-products and advertising immediately and to bid for excuse officially with Austrian African, Black and other offended groups.

    Please participate and write your protest to Press-Office.London@Unilever.com, mediarelations.rotterdam@unilever.com, karin.hoefferer@unilever.com (Austria), katja.praefke@unilever.com (Germany)

    Hier noch ein paar empfehlenswerte Kommentare aus der Blogosphäre: Philipp Sonderegger, Michel Reimon, Martin Blumenau, Andreas Lindinger

  • OÖN: Cobra platzte mit einem Einsatz in die Theaterprobe für „A Hetz“

    Ab nächster Woche geht ein persönlicher Traum in Erfüllung: Ich spiele bei der Theaterproduktion „A Hetz“ des Theaters Hausruck mit. Ein Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten zeigt, wie dort schon während der Proben Theater und Wirklichkeit verschwimmen:

    OTTNANG. Während die Schauspieler vom Theater Hausruck am Ortsplatz für „A Hetz“ probten, rückte eine Cobra-Einheit an, um einen Drogendealer zu fassen. Kurios: Die Bevölkerung reagierte überhaupt nicht auf den Polizeieinsatz, dachte wohl, dass das zum Stück gehört.

    Während die Schauspieler vom Theater Hausruck am Ortsplatz für „A Hetz“ probten, rückte eine Cobra-Einheit an, um einen Drogendealer zu fassen. Kurios: Die Bevölkerung reagierte überhaupt nicht auf den Polizeieinsatz, dachte wohl, dass das zum Stück gehört.

    Obwohl die Elite-Polizisten schwer bewaffnet ein Haus stürmten, rührten die Passanten kein Ohrwaschl. „Die haben geglaubt, das sind Theaterleute“, erklärt Georg Schmidleitner. „Die Geschichte passt zu unserem Image“, kann Regisseur vom Theater Hausruck drei Tage später wieder schmunzeln. „Wir wollen überraschen und unberechenbar sein“, nennt er die Ziele vom Theater Hausruck.

    Dazu gehört, dass bei „A Hetz oder Die letzten Tage der Menschlichkeit“ zwei prominente Globalisierungskritiker zum künstlerischen Team gestoßen sind: Christian Felber (Attac Österreich) und der Autor Klaus Werner-Lobo („Schwarzbuch Markenfirmen“, „Uns gehört die Welt“). Die beiden sind ausgebildete Bühnenakteure und werden in der Kirche Ottnang eine Station der Theaterbusreise gestalten. „Ich möchte die Zusammenhänge zwischen Armut und Reichtum aufzeigen“, sagt Werner-Lobo im OÖN-Gespräch. Die „Predigt mit Performance“ will die Besucher zu mehr Solidarität und Zivilcourage ermuntern. Werner-Lobo wird dabei als Clown auftreten – allerdings nicht als herkömmlicher Spaßmacher mit roter Nase, sondern als „Archetyp des Loosers“, etwa in der Nachfolge eines Charlie Chaplin.

    Eine Woche vor der Premiere lädt das Theater Hausruck die Bevölkerung heute in den Gemeindesaal Holzleithen ein. „Die Leute habe die Chance, uns hautnah zu erleben“, betont Schmiedleitner. Für ihn ist „A Hetz“ noch vor der Premiere am 29. Juli ein Erfolg – durch die Auseinandersetzung mit dem Flüchtlingsthema, hätten viele ihre Ängste abgebaut.

    Infos zu den Spielterminen: www.theaterhausruck.at

  • Zündfunk: Ethischer Konsum, oder: Kann man sich eine bessere Welt kaufen?

    Bayern 2: ZÜNDFUNK – Generator vom 12.7.09

    Hier anhören

    Mit dem Buch „No Logo“ der kanadischen Autorin Naomi Klein ertönte im Jahr 2000 eine neue Stimme in der globalisierungskritischen Bewegung. Klein führte zum ersten Mal auf, unter welchen Bedingungen stylische Klamotten oder Laptops von transnational agierenden Unternehmen produziert werden. Die Folge waren Kampagnen, Proteste und ein Bewusstseinswandel, der weit über die globalisierungskritische Bewegung hinaus ging: Als Konsument hat man Macht! Das dachten sich von da an auch Menschen, die sich vorher eher weniger um Politik geschert haben. Die fair gehandelte Banane erlebte einen kometenhaften Aufstieg und mit ihr kamen die LOHAS – die, die die Idee vom ethischen Konsum zum Lifestyle erhoben. Aber: Kann man sich wirklich eine bessere Welt kaufen? Der Zündfunk spricht darüber mit Christoph Harrach von Karmakonsum.de, bekennender LOHAS-Anhänger, sowie mit Claudia Langer, Gründerin von utopia.de. Ihr Credo frei nach Mahatma Ghandi: Fang bei dir selbst an, wenn du was ändern willst. Klaus Werner-Lobo, Autor von „Schwarzbuch Markenfirmen“, gehen Informationsnetzwerke für nachhaltiges Leben aber nicht weit genug – ebensowenig wie Hagen Pfaff von attac: Denn kauft man sich mit der fair gehandelten Banane nicht einfach nur ein gutes Gewissen?

  • WDR-Diskussion "Raus aus der Krise"

    Vor ein paar Wochen habe ich in der WDR-Sendung west.art am sonntag mit Matthias Horx, Ulrich Khuon, Gertrud Höhler und Rebekka Reinhard und Holger Noltze über das Thema „Raus aus der Krise – Wie müssen wir unser Leben ändern?“ diskutiert. Hier ein paar Ausschnitte aus der Sendung:

  • pte: Weggeworfenes Essen kann Hungernde sieben Mal sättigen

    London/Wien (pte, 11.7.2009) Mehr als sieben Mal könnte man alle Hungernden der Erde sättigen, würde man die Nahrungsmittel, die in Europa und in den USA weggeworfen werden, verteilen. Diese Fakten basieren auf Recherchen des Kleinbauern und Lebensmittel-Analysten Tristram Stuart, der in seinem neuesten Buch „Waste: Uncovering the Food Scandal“ (erschienen im Penguin-Verlag http://www.penguin.co.uk ) die Zahlen ermittelt hat. Stuart ist von Yorkshire bis China, von Pakistan bis Japan gereist, um zu erforschen, wie viel Nahrungsmittel weggeworfen werden. Allein die Lebensmittel, die von Haushalten in Großbritannien weggeworfen werden, könnten 113 Mio. Menschen auf der Welt satt machen.

    30 Prozent aller in Großbritannien verkauften Kartoffel landen im Abfall. Die Bauern und die Lebensmittelproduzenten in Großbritannien werfen rund eine Mio. Tonnen der Knolle jährlich in den Müll. Trotz der immer massiveren Fischereikrise werden zwischen 40 und 60 Prozent aller gefangenen Fische in europäischen Gewässern ins Meer zurückgeworfen. Alle davon sind bereits tot. Allein der Marktwert der drei wichtigsten Speisefische Großbritanniens, die weggeworfen werden, beträgt rund 80 Mio. Euro. Die 60 Mio. Briten werfen jährlich 484 Mio. Joghurts ungeöffnet in den Müll. Stuart kritisiert in seinem Buch besonders die Supermarktketten, da diese über die Nahrungsmittel, die weggeworfen werden, kaum oder nur sehr ungenügend Auskunft erteilen. Große Ketten wie etwa Sainsbury kommen auf jährlich rund 60.000 Tonnen, die Kette Asda sogar auf geschätzte 75.000 Tonnen Lebensmittel, die auf Deponien landen. Untersuchungen der Marktforschungsgruppe Biffa haben deutlich gezeigt, dass die Hälfte der Früchte und Gemüse, die für die Supermärkte gezogen werden, nie im Laden enden. Gründe dafür sind falsche Größen oder verändertes Aussehen.

    „Das Problem ist nicht die Achtlosigkeit der Konsumenten“, meint Buchautor und Globalisierungskritiker Klaus Werner-Lobo im pressetext-Interview. Dass Lebensmittel weggeworfen werden, sei erwünscht, denn das Wirtschaftssystem lege es darauf an viel zu viel zu produzieren und kurze Ablaufdaten zu haben. „Das ganze System entspricht nicht den realen Bedürfnissen“, kritisiert der Autor. Das zeige etwa auch jene Vorgangsweise, Lebensmittelabfälle im Müllcontainer zu vergiften, damit sie niemand mehr konsumieren könne. Die herrschende Gesetzeslage will Arme und Mittellose kriminalisieren, wenn sie aus den Abfalleimern Nahrungsmittel, die verwendbar sind, entnehmen. „Die Erde könnte zwölf Mrd. Menschen sattmachen und dennoch sterben tagtäglich 24.000 Kinder an Hunger.“ Der tägliche Massenmord diene dem Profit. „Jedes weggeworfene Joghurt-Paket bringt dem Hersteller Profit, denn es wurde verkauft.“ Der Hersteller agiere nicht deswegen so, weil er böse sei, sondern weil das System des Kapitalismus so funktioniere.