Im Rahmen einer Tagung des Netzwerk Recherche hat mich Laura Fabienne Schneider-Mombaur über die Zukunft der Undercover-Recherche, journalistische Ethik und die Chancen des Internet interviewt.
Wenn Sie Ihre Rollenrecherche mit der verdeckten Recherche im Feld eines Friedrich Mülln und der sehr persönlichen Enthüllungen einer Nicole Althaus vergleichen, die mit ihrer Beichtstuhlrecherche stärker nach innen recherchierte: Wo ordnen Sie Ihre Recherche als virtueller Coltan-Händler ein?
Werner-Lobo: Es war vom System her schon eine Recherche, die nach außen gerichtet war. Ich habe eine andere Rolle angenommen und versucht, diese Rolle so authentisch und glaubwürdig wie möglich zu spielen. Das Neue war sicher, dass ich das nur virtuell gemacht habe. Ich habe zumindest im ersten Teil der Recherche eine Internet-Identität angenommen, die in erster Linie darin bestand, mir eine E-Mail-Adresse mit einem anderen Namen zuzulegen. Ich habe gesagt: Ich heiße Robert Mbaye Leman, ich lebe in Tansania und ich habe Kontakt zu den Rebellen im östlichen Kongo. Und das ist im Internet schon eine fast komplette Identität.
Ihre Recherchen sind aus dem Jahr 2001. Ließe sich diese Methode der virtuellen Rollenrecherche im schnell sich wandelnden Internet heute noch einmal wiederholen?
Werner-Lobo: Es geht heute sicher nicht mehr so leicht, weil die Missbrauchsmöglichkeiten des Internets natürlich bekannter sind. Auch damals hatte ich nicht bei allen Firmen, die ich anschrieb, Glück. Nokia reagierte zum Beispiel nicht auf mein Angebot. Würde man das Rollenspiel noch einmal wiederholen, wäre es sicher nichts anderes, als würde Günter Wallraff versuchen, noch ein mal in dieselbe Rolle zu schlüpfen, die er schon einmal gespielt hat. Da müsste er sich wahrscheinlich auch etwas Neues einfallen lassen. Würde ich die Rollenrecherche in einem anderen Kontext ausprobieren, nicht bei großen Konzernen, sondern bei einer kleinen Firma oder gegenüber einer politischen Institution, stünden die Chancen wieder sehr sehr gut, dass es erneut funktioniert.
Was müsste man heute bei einer virtuellen Recherche im Ausland berücksichtigen?
Werner-Lobo: Ich hab das ja damals ganz billig gemacht: Ich bin einfach auf einen gmx-Webmail-Server gegangen, von dem man weiß, dass er im deutschen Sprachraum besonders stark vertreten ist, habe eine Gratis -Webadresse ausgewählt und das reichte damals. Heute müsste ich mir vermutlich eine afrikanische Internetadresse überlegen und zusätzlich einen Internet-Router besorgen. Schließlich ist es heute technisch möglich, sich IP-Adressen zu besorgen, mit denen man sich virtuell in Afrika befindet.
Wie kritisch gehen Sie da noch mit dem Internet als Recherchemedium um? …
Netzwerk Recherche: „Ansichten eines Clowns“Weiterlesen »