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Megaphon: „Vereinsmeierei“

Der Österreicher (über die Österreicherin sind keine Statistiken bekannt) ist ja angeblich besonders gern Mitglied. Freiwillige Feuerwehr, Sängerbund, Sparverein, Autofahrerklub, Verband der Meerschweinchenzüchter.

Ich selber bin bei so vielen Vereinen gewesen, dass der Platz nicht reicht, sie alle aufzuzählen. „Es ist schön, solche Freunde zu haben, es ist schön, nicht allein zu sein“, sangen wir bei der Katholischen Jungschar, wo ich von neun bis elf war, und das spricht ja auch irgendwie dafür. Wo ich sonst noch dabei war, sag ich nicht, es ist eh schon peinlich genug. Und dann war ich sogar kurz Parteimitglied bei – na egal. Als Milderungsgrund möchte ich bitte schön anführen, dass ich die Beitrittserklärung um drei Uhr früh in einem Lokal zweifelhafter Reputation unterschrieben habe und ausgetreten bin, kurz nachdem ich wieder nüchtern war.

Und dann ist der Österreicher ja auch noch Österreicher. Früher war’s im Urlaub cool, nicht Deutscher zu sein, weil sich die deutschen Touris wahrscheinlich noch mehr daneben benahmen. Oder vielleicht auch nur weil man Österreich im Ausland nicht kannte. Aber dann kamen Waldheim, Haider und Schwarzenegger und man wünschte sich plötzlich einen deutschen Reisepass.

Der Verein „Staat“ ist ja einer, aus dem man schlecht austreten kann, wenn man nicht quasi zur Konkurrenz überlaufen will. Und solange einem der EU-Pass im Vergleich zu den Ausweisen anderer Länder so viele Rechte, wirtschaftliche Vorteile und Freiheiten beschert, bemüht man sich nicht so gern um eine Mitgliedschaft in Burundi oder Myanmar. Aber falls wer fragt, bin ich Wiener, Berliner, Brasilianer, Indianer oder gar nix, je nach Gemütslage.

Bei Attac, Greenpeace und so weiter ist das Austreten hingegen so leicht wie Zeitungsabo kündigen. Hab ich alles schon gemacht, obwohl mir die genannten Organisationen viel sympathischer sind als meine Zwangsmitgliedschaft in einem Staat oder meine Zugehörigkeiten mitsamt den damit verbundenen gesellschaftlichen Ansprüchen aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, sozialer Klasse und sexueller Orientierung. Es fühlt sich einfach verdammt gut an, auszutreten.

Dann gibt’s Vereine, da kann man austreten ohne dass man jemals eingetreten ist. In die Kirche wird man zum Beispiel häufig hineingetauft ohne gefragt zu werden. Als ich mit achtzehn die erste Kirchensteuervorschreibung erhielt, schickte ich sie mit dem Vermerk „Postgebühr bezahlt Empfänger“ an den Absender zurück. Das ist rechtlich nicht haltbar. Deswegen musste ich aufs Bezirkamt pilgern und zahlte 170 Schilling Stempelmarken für das Austrittsformular, natürlich unter Protest.

Genützt hat es nichts. Im heurigen Sommerloch zum Beispiel fragt sich alle Welt, auch die weltliche, wie es moralisch zu bewerten ist, wenn sich führende Mitglieder des Vereins Kirche gegenseitig aufs Zumpferl greifen. Ich finde es ja an sich grundsympathisch, wenn sich erwachsene Männer lustige Hüte aufsetzen, rituelle Feierlichkeiten begehen und sich gegenseitig aufs Zumpferl greifen. Aber können die das Thema, wenn sie es schon moralisch haben wollen, nicht in ihren Vereinszeitungen abhandeln?

Schön, wenn sich Menschen zu Organisationen zusammenschließen, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. Sobald aber einzelne RepräsentantInnen ihre individuellen moralischen Vorstellungen als Organisationsinteresse verkaufen, wird’s eng.

Individuelle Rechte und Freiheiten brauchen Gemeinsamkeit und Solidarität, aber keine Vereinnahmung. Gibt’s eigentlich einen Verein, der sich darum kümmert?