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Der Standard: „I bin’s, dei Drogenboß!“

Zweckdienliche Angaben betreffend polizeiliche Ermittlungen gegen Charles O.

Ich stelle mich. Ich habe in den letzten Wochen zum Lauschangriff gegen mich selbst angesetzt und bin nach Prüfung der erdrückenden Beweislage zu einem eindeutigen Schluß gekommen: Ich selbst bin der Boß des Drogenkartells, vor dem Innenminister Schlögl so erfolgreich unsere Kinder bewahrt hat. Die Fakten:

Ich habe mehrmals im Chinarestaurant „Zum weißen Schnee“ (Name geändert, Anm.) nicht nur Huhn mit Kok(o)sflocken konsumiert, sondern dort gemeinsam mit einigen europiden Personen deutlich vernehmbare Geräusche von Geldzählen verursacht.

Ich habe nicht nur einem negriden Bekannten, der in Österreich Urlaub machte, geraten, immer Passanten aufmerksam zu machen und laut zu schreien, falls er Opfer rassistischer Übergriffe der Polizei oder anderer Zeitgenossen werden sollte, sondern ähnliches auch einer („europiden“) Freundin als Hilfsmaßnahme bei nächtlichen Belästigungen empfohlen.

Vor kurzem gelang es mir sogar, in einer U-Bahnstation die Toilette zu betreten, um dort meine Geschäfte zu verrichten, während eine männliche Person davor stehen blieb.

Vor Antritt meiner letzten Reise nach Salzburg habe ich (womöglich im Bereich der offenen Suchtgiftszene) am Westbahnhof meiner Freundin Fototaschen und Geld übergeben und kann mich auch erinnern, schon mal auf dem Weg zur Donauinsel äußerst nervös (da wußte ich noch nicht, ob sie auf mich steht), jedoch auf dem Rückweg zur Wohnung entspannt gewesen zu sein.

Ich habe darüber hinaus das Afro-Asiatische Institut, mehrere exotische Länder und eine Demonstration für Marcus Omofuma besucht.

Als Beleg für die Durchtriebenheit meines Charakters verweise ich schlußendlich auf die Tatsache, daß ich schon im Gymnasium meinen Klassenvorstand (nein, nicht beim Chinesen) dazu überredete, mir und Mitschülern für eine Demo gegen Polizeigewalt (damals in Wackersdorf) freizugeben und sie für die Arbeit an diesem Tag zu entschuldigen, sowie daß ich schon damals mein Drogenboßhandwerk und die daraus resultierenden Einkünfte hinterhältig verschleierte, indem ich mich schlecht kleidete, in einer Wohngemeinschaft auf Substandard lebte und Gedichte schrieb.

Da damit wohl hinlänglich bewiesen ist, daß ich (und nicht Charles O.) der Drogenboß bin, verstehe ich einiges nicht: Warum ist Karl Schlögl so sicher, die großen Bosse eines Dealerrings gefaßt zu haben? Warum hetzen „Kronen Zeitung“ und FPÖ nicht gegen mich? Weil ich bleich im Gesicht, schmallippig und „europid“ bin?

Warum erzählen mir Angehörige von Charles O., etwa eine in Österreich geborene „negride“ Studentin, daß sie es in diesem (ihrem) Land nicht mehr aushalten, weil sie sich täglich verfolgt und diskriminiert fühlen? Warum erzählen mir das nicht die Nachfahren meiner eigenen Vorfahren, die bis ins letzte Glied per Nachweis „europid“-arisch sind?

Warum hat sich die Grüne Terezija Stoisits in einer ersten Reaktion nicht von mir distanziert und Polizeischutz verlangt?

Warum gibt es noch immer Sozialdemokraten, die den Mund nicht aufmachen, wenn sich hochrangige Vertreter ihrer Partei hinter die Aktionen gegen „negride“ Mitbürger stellen, wo die doch gegen mich vorgehen sollten? Warum wählen noch immer Menschen die SPÖ?

Warum druckt ein Wochenmagazin nicht meine Adresse samt Telefonnummer im Faksimile ab, wie vorige Woche geschehen, damit ich für den Fall, daß meine Schuld nicht bewiesen wird, nie wieder zurück kann? Warum druckt ein anderes Wochenmagazin nicht mein Konterfei gemeinsam mit unbescholtenen Demonstranten verschwommen, aber leicht wiedererkennbar ab? Warum beschreibt mich nicht ein drittes Wochenmagazin vorverurteilend als Menschenrechtsaktivist und Autor im seriösen Neben(sic!)job?

Warum gilt für mich die Unschuldsvermutung? Warum kommen meine „europiden“ Landsleute einfach so ungeschoren davon, ohne ständig auf offener Straße von Staatsorganen und Medien gedemütigt zu werden?

Ich weiß es nicht. Ich lebe mein Drogenboßleben, gehe meiner Drogenboßarbeit nach und genieße meinen Drogenboßfeierabend. Nur manchmal, wenn die Öffentlichkeit mich so gar nicht wahrnehmen will, überlege ich, ob das Drogenboßleben hier noch lebenswert ist. Als weißer Drogenboß kann einem nämlich ganz schön fad werden in Österreich.