Autor: Klaus Werner-Lobo

  • Aus der Bananenrepublik

    Weil ich hier im letzten Oktober den Buchtitel „Shopping hilft die Welt verbessern“ kritisiert habe, wurde ich zu einem Streitgespräch mit Buchautor Fred Grimm eingeladen. Das „Forum Umweltbildung“, eine vom österreichischen Umweltministerium abhängige Institution, vereinbarte mit uns beiden ein Vortragshonorar und bat, zwei Alternativtermine zu reservieren. Vorletzte Woche erhielt ich jedoch einen Anruf, dass man mich leider ausladen müsse, weil ich einem Ministeriumsbeamten „ein Dorn im Auge“ sei.

    Tatsache ist, dass ich mich vor sieben (!) Jahren gegenüber Oberrat Dr. Peter Iwaniewicz geweigert hatte, das Buch Prost Mahlzeit Seite an Seite mit dem Minister der damals neuen rechtskonservativen Regierung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Buchrecherche war vom Ministerium (also vom Steuerzahler) finanziert worden, was für mich nicht bedeutete dass ich zur Werbung für einen Politiker verpflichtet wäre. Iwaniewicz drohte daraufhin unter anderem, meinem damaligen Arbeitgeber die finanziellen Mittel zu kürzen, was ich als Erpressung empfand und ihm Missbrauch seines Amtes vorwarf. Nun, sieben Jahre später, wird dafür die Glaubwürdigkeit des Forum Umweltbildung gegenüber seinen Referenten geopfert: Als Begründung für den Vertragsbruch konnte man mir lediglich die Befindlichkeit des Beamten nennen.

    Ich habe nun im Büro von Bundesminister Josef Pröll nachgefragt, ob es „in Ihrem Sinne bzw. mit ihrem Einverständnis geschieht, wenn Veranstaltungen Ihres Ministeriums nach persönlichen Sympathien einzelner Beamten und nicht nach rein fachlichen Kriterien besetzt werden.“ Über Reaktionen wird hier berichtet werden.

  • Restlose Aufklärung

    der sektionsleiter im „lebensministerium“ hat meine mail an minister pröll (siehe unten) beantwortet:

    Sehr geehrter Herr Klaus Werner! Herr Bundesminister Josef Pröll hat mir Ihre Anfrage zur Veranstaltungsreihe „food for thought“ zur raschen und restlosen Aufklärung übermittelt. (…) Eine Mitarbeiterin des Forum Umweltbildung hat im Vorfeld der genannten Veranstaltung mit Ihnen ein Gespräch bezüglich eines Referats geführt. Nach meinem Informationsstand kam es dabei zu keinerlei verbindlicher Vereinbarung. Die besagte Mitarbeiterin hat daraufhin mit dem eigentlichen Auftraggebervertreter Dr. Peter Iwaniewicz die endgültige Refentenauswahl und Entscheidung besprochen. Dabei wurde aus rein inhaltlichen Gründen keine Beauftragung beschlossen. (…)

    ich habe zurückgeschrieben:

    sehr geehrter herr reinhard mang, danke für ihre mail. offenbar wurden sie leider falsch informiert. (frau n.n.) vom forum umweltbildung hat mit mir sehr wohl eine vereinbarung über vortragstermin und honorar getroffen. sie hat mir gegenüber die persönliche antipathie seitens dr. iwaniewicz als einzigen grund für den bruch der vereinbarung genannt. weiters liegt mir eine schriftliche begründung der ausladung mit den worten „hätte spannend werden können, aber klaus werner war wohl nach einer stürmischen meinungsverschiedenheit einem beamten ein dorn im auge“ vor. ich halte meine vorwürfe daher aufrecht und werde das auch in der öffentlichkeit so darstellen.

    jeder zukünftige referent des „forum umweltbildung“ sei gewarnt, dass es dort mit der vertragstreue nicht gut bestellt ist. das hat der verein nicht nur iwaniewicz zu verdanken, sondern auch dem eigenen mangel an transparenz und zivilcourage. iwaniewicz ist ein ehrgeiziger kleiner beamter, der nach nach oben kriecht und nach unten drückt. das machen tausende andere auch und sichern damit die funktionsfähigkeit eines autoritären und vordemokratischen staatsapparats (dass derselbe iwaniewicz das „tier der woche“ im falter gibt und auch in anderen linksliberalen öffentlichkeiten auftanzt, ist kein widerspruch: der herr karl war immer schon gleitfähig). das eigentliche problem ist, dass beamtenwillkür in österreich als normalzustand begriffen wird und die betroffenen das als gottgegeben hinnehmen, auch wenn sie noch so darunter leiden. das zu benennen scheint der luxus von crazy autoren und österreichkundemäßig außen-vor-stehenden zu sein. aber hallo, solang es noch keine luxussteuer auf rechtsstaatlichkeit und demokratie gibt, gönn ich mir den doch!

  • Das Unsichtbare dingfest gemacht

    Im Tanzquartier Wien fand dieser Tage das Projekt Performing Rights Vienna statt, in dem internationale Künstler den Grenzbereich zwischen Kunst und politischem Aktivismus ausloteten und Beispiele kreativen Widerstands präsentierten. Ich habe hier bereits vor zwei Jahren über die Clown Rebel Army geschrieben. Nun hatte ich die Gelegenheit, an einem Workshop mit John Jordan, einem der Mitbegründer der Clownrebellen, teilzunehmen.

    Creative Resistance und Rebelclowning versucht nicht nur, Poesie und Pragmatik, Ethik und Ästhetik zusammenzubringen, sondern auch die duale Logik gesellschaftlicher Ordnung (Polizei/Protestierer, Freund/Feind, Mann/Frau, Richtig/Falsch etc.) und hierarchische Muster zu durchbrechen und an deren Stelle lustvolle Aktionsformen zu setzen, die um nichts weniger effektiv sind (siehe etwa die erfolgreichen Cacerolazos in Argentinien).

    Der Workshop sollte – nach Wünschen des Veranstalter – mit einem „Showing“ vor Publikum enden. Weil das aber erst wieder Klassisch Repräsentieren geheißen hätte, entschieden wir uns für einen anderen Weg. Im benachbarten Museum für Moderne Kunst wurde gerade die Ausstellung Die blaue Revolution von Yves Klein eröffnet. Motto: „Das Unsichtbare dingfest machen“. Sponsor dieser Ausstellung ist die Fluggesellschaft Air France, die regelmäßig Zwangsabschiebungen von Flüchtlingen durchführt. Der Konzern verdient an diesen Deportationen Unschuldiger, die immer wieder tödlich verlaufen. Wir entschieden uns daher gemeinsam mit unserem „Publikum“ für eine schnelle Intervention, druckten rasch Info-Flyer und begaben uns auf die Ausstellungseröffnung, wo wir uns „deportieren“ ließen. Ein detaillierter Bericht von Claus Pirschner ist auf FM4 nachzulesen.

  • Kein Experte für Gewissensfragen

    Gestern habe ich in Duttendorf bei Ach (da fährt man gern hin!) einen Vortrag über das Schwarzbuch Markenfirmen gehalten. Davor hat mich die Braunauer Rundschau interviewt:

    Achten Sie in Ihrer näheren Umgebung besonders auf die Marke?
    Ich hab in meinem Freundeskreis zum Glück keine wandelnden Litfass-Säulen, die sich als Gratiswerbefläche für Logos zur Verfügung stellen, und den Leuten aufs Etikett am Gnack schauen tu ich üblicherweise nicht.
    Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Erstes Date mit der Traumfrau und sie trägt eine schicke Adidas-Jacke. Was machen Sie?
    Ich versuch sie dazu zu kriegen sie auszuziehen.
    Haben Sie das Gefühl, die Welt ein Stück weit verbessert zu haben?
    Das wechselt täglich, oder? Manchmal legt man sich abends ins Bett und denkt: Es war ein Scheißtag. Und manchmal glaubt man die Welt ein Stück weit verbessert zu haben, weil man gut gekocht, gut geredet, guten Sex gehabt oder ein gutes Buch geschrieben hat.
    Gerade bei Kindern und Jugendlichen sind Markenprodukte oft ein Muss. Wie kann man dem Marken-Kult entgegenwirken?
    Wenn sie wirklich glauben dass das ein Muss ist, sollte man ihnen vielleicht sagen dass das nicht stimmt. Man muss nämlich gar nichts und darf ruhig selber denken und sich zum Beispiel seine Freunde nach Kriterien wie Zuneigung, Interesse, Solidarität, Großzügigkeit usw. aussuchen.
    Konkrete Handlungstipps?
    Das beste ist immer, gemeinsam mit anderen etwas zu machen. Man kann zum Beispiel in eine Einkaufsstraße gehen und dort die KundInnen über die kriminellen Praktiken der Konzerne informieren.
    Was kann ich überhaupt noch kaufen ohne hinterher ein schlechtes Gewissen zu haben?
    Ich bin Journalist und nicht Pfarrer, also kein Experte für Gewissensfragen. Als Journalist sage ich: Kaufen Sie was Sie brauchen, kaufen Sie nicht was Sie nicht brauchen und teilen Sie so viel wie möglich, das macht glücklich.

  • konzerne und kongo

    nach einem interview über die fußball-wm im juni (betreffend die herstellungsbedingungen von sportbekleidung) hat mich die wochenzeitung der brasilianischen sozialen bewegungen „brasil de fato“ nun über die präsidentenwahlen in der demokratischen republik kongo befragt.

    der artikel ist hier nachzulesen. deutsche kurzfassung: die eu – allen voran frankreich und deutschland – verteidigt dort anstelle von demokratie und menschenrechten in erster linie die rohstoffinteressen ihrer multinationalen konzerne und sieht präsident kabila als willige marionette.

    in diesem zusammenhang möchte ich auch auf die aktuellen infos der werkstatt frieden und solidarität über die congo-connection der österreichischen firma treibacher hinweisen (mit unterstützungserklärung).

  • die kraft der angst

    bei meinen recherchen über große clowns stoße ich hin und wieder auf große sätze. peter brook, der als großer regisseur und theatertheoretiker mit dem großen burkinabischen clown und griot sotigui kouyaté zusammengearbeitet hat (welcher im dezember zum internationalen clownfestival anjos do picadeiro nach rio kommt), sagt in einem interview mit dem tagesspiegel auf die frage: warum braucht der mensch rituale?:

    „Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann. Nach meiner Erfahrung ist der kraftvollste und unbegreiflichste Fakt des menschlichen Lebens die Angst. Diese Angst ist so fordernd, dass sie ein Sicherheitsbedürfnis auslöst, das zur Bildung von Strukturen führt. Etwa die Tatsache, dass man politische Parteien ernst nimmt, dass man an Wahlen glaubt. All das sind Mittel, um der Furcht entgegenzutreten, der totalen Leere ins Auge zu sehen. (…) Die Leere, vor der man Angst hat, ist nur zu menschlich. Wenn man aber sieht, wie wahnsinnig schwierig das Leben ist und sich dessen bewusst ist, führt einen das zu etwas absolut Positivem. Wenn man den Mut aufbringt, alle Versicherungen und Beruhigungen loszulassen, gelangt man in den Bereich hinter allen Religionen. Dort lösen sich die Formen auf, und es bleibt die pure Leere. Was in dieser positiven Leere geschieht, kann man als Befreiung von der Zeit beschreiben.“

  • brasil rumo ao hexa

    0007
    nur noch neun tage bis zur fussball-wm! seit einer woche ist ganz rio – auf dem foto die straße vor meiner bisherigen wohnung – karnevalsmäßig geschmückt. brasilien will zum sechsten mal meister werden.

    die zeitung o globo warnt heute allerdings vor der „gelben gefahr“ japan, da die japanische mannschaft dank des brasilianischen spielers zico dazugelernt habe.

    die derzeitige zeitrechnung ist „vor der wm“ oder „nach der wm“. während der wm steht nämlich alles still, was nicht unmittelbar mit fussball zu tun hat (z.b. bier).

    dann geht das normale leben wieder weiter, zumindest für ein paar tage, denn dann kommen die wahlen, und nach den wahlen ist ja bald karneval … aber wer braucht schon normales leben?

  • N° 10

    Schwarzbuch Markenfirmen
    Wien 2001, Rijswijk 2002, Istanbul 2003, Budapest 2003, Buenos Aires 2003, Wien 2003, Madrid 2004, Stockholm 2005, Tokyo 2005, Berlin 2006: Soeben ist die zehnte veränderte Ausgabe des Schwarzbuch Markenfirmen erschienen – als Taschenbuch im Ullstein-Verlag, auf den neuesten Stand gebracht und um schlappe zehn Euro zu haben.

  • muamba

    Fast ein Jahr ist es her, dass ich bei Leris Colombaioni einen Kurs in klassischer Clowntechnik gemacht habe. Hier das Video der damaligen Abschlusspräsentation.

  • Buchtipp: "Festung Europa"

    Meine Freundin Corinna Milborn hat soziale Brennpunkte in- und außerhalb Europas bereist, die Schicksale verzweifelter und hoffnungsfroher Menschen begleitet und ein längst fälliges Buch geschrieben: Gestürmte Festung Europa – Einwanderung zwischen Stacheldraht und Ghetto. Ihr Resümée: Europa braucht MigrantInnen, und je mehr es versucht Menschen aus seiner Mitte auszuschließen oder von seinen Rändern abzuschieben, desto größer das Sicherheitsproblem das sich der Kontinent damit einbrockt.